Kultur im TiC Klasse-Kreisler in Cronenberg

Wuppertal · Mit „Heute Abend: Lola Blau“ landet das Theater in Cronenberg (TiC) einen musikalischen und atmosphärischen Coup.

Miriam Kraft ist Lola Blau in Georg Kreislers „Musical für eine Schauspielerin“ im Theater in Cronenberg (TiC).

Foto: Martin Mazur

Im für dieses „Musical für eine Schauspielerin“ geradezu idealen Umfeld des TiC-Ateliers in Unterkirchen präsentieren Miriam Kraft als Lola Blau und Live-Pianist Stefan Hüfner in Doppel-Bestform zwei Stunden, die einen weiten Bogen schlagen. Und die trotz der 53 Jahre zurückliegenden Uraufführung des Werkes von Georg Kreisler nichts an Authentizität (und Aktualität) verloren haben.

Georg Kreisler (1922 bis 2011), der begnadete Wiener Musiker, Chansonschreiber, Satiriker und Literat, hat in „Heute Abend: Lola Blau“ seine eigene Emigrations- und Rückkehrerfahrung angesichts der NS-Zeit verarbeitet. Die (jüdische) Schauspielerin Lola Blau, die von Hitlers Machtausdehnung nach Österreich überrascht wird, ihr Theaterengagement verliert, in die Schweiz flieht, dort verjagt wird, mit Glück in die USA kommt, da als Sängerin tingelt, nach dem Krieg nach Österreich zurückkehrt, und hier auch kein Glück findet – die spielt, und vor allem singt, Miriam Kraft sehr stark.

Mit wenigen Mitteln kommen Bühne und Kostüm aus – der Fokus richtet sich ganz auf die Hauptperson. Miriam Kraft gelingt es, eine beeindruckende Bandbreite an Stimmungen zu transportieren: Sie ist fröhlich, traurig, ernüchtert, bitter-ironisch – und am Ende, wie am Anfang, in Wahrheit allein. Die Klavierbegleitung durch Stefan Hüfner erweist sich dabei als musikalischer Glücksgriff: Mehr Live-Feeling ist kaum möglich.

Schöne Lieder sind es, die Georg Kreisler für Lola Blau geschrieben hat – viel Jazz, viel Chanson, viel Gefühl sowie scharfe, vertonte Blicke auf die Politik. Und weil es leider auch heute immer noch das Thema Flucht und Flüchtlingspolitik gibt, ist „Heute Abend: Lola Blau“ nicht etwa „nur“ ein Blick zurück, sondern nach wie vor eine Parabel auf die Realität.

Kreisler, der mit viel Wohlklang und fein geschliffenen Texten kein Blatt vor den Mund nimmt, beleuchtet Facetten, die heute noch gelten beziehungsweise nie wirklich aufgearbeitet worden sind. Der üble Umgang der für ihre Neutralität gern gelobten Schweiz mit NS-Flüchtlingen. Auch Else Lasker-Schüler war ein Opfer davon. Das oberflächliche Show-Biz in den USA. Die Am-liebsten-alles-vergessen-Haltung im Nachkriegsdeutschland oder in Österreich. Der nie aus der Welt verschwundene Antisemitismus.

Der Ralf-Budde-Inszenierung von „Heute Abend: Lola Blau“ im TiC gelingt es, ein dichtes Stück zu präsentieren, das viele nachdenklich stimmende Sequenzen liefert – und jede Menge Spaß macht. Richtig großen Applaus dafür verdient Sängerin Miriam Kraft. Und ihr bestens aufgelegter Pianist Stefan Hüfner ebenso. Diesen Applaus gab’s bei der Premiere schon bei zahlreichen Szenen – und mit stehendem Publikum zum Schluss.

Übrigens: Lob auch fürs aufwendige Programmheft, das voller interessanter (historischer) Infos steckt.