Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Kein Prozent mehr

Wuppertal · Prozentzahlen haben gerade Hochsaison. Angefangen hat es mit dem Bier. Weil auf 40 Prozent der deutschen Ackerflächen Glyphosat versprüht wird, ist dieses Unkrautvernichtungsmittel jetzt auch im Bier entdeckt worden.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Die Konzentration ist so hoch, dass man bereits bei einem Konsum von rund 1.000 Litern Bier am Tag ernsthafte Gesundheitsschäden durch Glyphosat befürchten muss. In Bayern wird das sicherlich als konkrete Bedrohung empfunden, ich persönlich mache mir aber weniger Sorgen. Es gibt Tage, da schaffe ich nicht mal 500 Liter.

Gar keine Prozente mehr gibt es dagegen bei den Zinsen. Die Europäische Zentralbank ist sie endgültig leid und senkt deshalb den gleichnamigen Zinssatz auf Null Prozent. Ich bin kein Finanzexperte, aber das scheint mir auf den ersten Blick sehr wenig. Jetzt kann sich doch jede Geschäftsbank in Frankfurt ein Schweinsvermögen besorgen ohne was dafür zu bezahlen. Früher hieß sowas Banküberfall, heute europäische Geldmarktpolitik.

Wenn ich es nicht richtig verstanden habe, will die Europäische Zentralbank damit erreichen, dass es wieder mehr Inflation gibt und alles teurer wird. Wir Verbraucher müssen uns dann für noch weniger Zinsen bei den Banken noch mehr Geld leihen, das diese für gar kein Geld gekriegt haben, damit wir die gleichen Sachen wie vorher zu höheren Preisen kaufen können. Das nennt man dann Konjunktur und alle freuen sich darüber. Ich vielleicht auch, wenn ich es endgültig verstanden habe.

Bis dahin zahle ich noch den Kredit ab, den ich aufnehmen musste, als ich mir neulich in der Schweiz ein Käsebrötchen kaufen wollte. Denn mit dem billigen Euro in der Tasche können wir uns in Ländern mit richtigem Geld inzwischen eigentlich nur noch in Suppenküchen verköstigen.

Morgen Abend erreicht die Prozentrechnung übrigens ihren endgültigen Höhepunkt bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. Alles emanzipierte Bundesländer mit Doppelnamen also, die schon darauf achten werden, dass vernünftige Ergebnisse zusammenkommen. Wenn nicht, werden die Verlierer sie in bewährter Manier ungefähr so erklären: "Wir haben prozentual weniger Stimmen verloren als vor fünf Jahren der politische Gegner, der jetzt zwar mehr Prozente hat als wir, aber immer noch weniger als wir damals. Dafür danken wir den Wählerinnen und Wählern und Nichtwählerinnen und Nichtwählern, von denen uns die Mehrheit bestimmt gewählt hätte, wenn sie wählen gegangen wären."

In 120 Prozent aller Statements dankt der Politiker am Wahlabend außerdem den Parteimitgliedern für den engagierten Wahlkampf, an dem es natürlich nicht gelegen hat, dass man nur noch beim Einkaufen nennenswerte Prozente kriegt. So wird es auch morgen kommen. Hundertprozentig.

Bis die Tage!