Nach Toreschluss — die Wochenend-Satire Hinten rein?
Wuppertal · Das sind schlimme, schlimme Nachrichten, die wir über die Silvesternacht hören mussten. Es ist beschämend, was sich da abgespielt hat: Um Mitternacht stand endgültig fest, dass die Weihnachts-CD von Helene Fischer das erfolgreichste Album des Jahres in Deutschland war.
Sollten Sie durch einen glücklichen Zufall noch nicht im Besitz dieses Tiefpunktes deutscher Musikgeschichte sein, haben Sie ihr schönstes Weihnachtsgeschenk schon bekommen. Sie müssen dann nämlich nicht mitanhören, wie in quälender Doppelalbum-Länge alle relevanten und auch so schon kaum zu ertragenden deutschen Weihnachtslieder im Sterbender-Schlagerschwan-trifft-Symphonieorchester-Modus durch den kommerziellen Fleischwolf gedreht werden. Ich persönlich empfehle besonders Helene Fischers "Vom Himmel hoch da komm ich her" (featuring Xavier Naidoo). Wenn Sie das mal gehört haben, werden auch Sie sagen: Wärt ihr doch oben geblieben ...
Sollten Sie übrigens anfangs bei den Stichworten "schlimme Nachrichten" und "Silvester" an ganz was anderes gedacht haben, dann können Sie mal sehen, wie schnell Missverständnisse entstehen. Das mussten jetzt auch die Wuppertaler Stadtwerke feststellen. Die haben Bilder einer jungen Frau mit vor Schreck weit aufgerissenen Augen und vor den Mund geschlagener Hand auf ihre Busse geklebt und daneben den Spruch "Hinten rein?" gepinnt. Völlig überraschend dachten einige Menschen bei diesem Ensemble gar nicht an das Thema Bus-Einstieg durch die Vordertür, sondern an ganz was anderes. Nämlich an ... ähm, tja, wie soll ich das jetzt mal ausdrücken ... es lesen ja auch Kinder mit ... hmmm, eigentlich ... ach, Sie wissen schon ... und es ist ja auch nur eine Randsportart ... also es geht natürlich um was Sexuelles. Da kriegt dann plötzlich auch der Begriff "Schwarzfahren" eine völlig neue Bedeutung, die ich hier nun wirklich nicht weiter ausführen möchte. Ich würde nur sagen: Diese Kampagne ist nach hinten losgegangen ...
Schauen wir lieber nach vorne auf Seite 1 der aktuellen Rundschau-Ausgabe. Dort können Sie nachlesen, dass sich die Stadtverwaltung vorbildlich um die Sicherheit auf der Nordbahntrasse kümmert und jetzt die Bruchsteinmauer am Bahnhof Loh als Gefahrenquelle beispiellosen Ausmaßes identifiziert hat. Es ist offenbar unfassbarer Dusel gewesen, dass 2015 kein einziger der gut zwei Millionen Trassennutzer an dieser Stelle zu Schaden kam. Denn die Verwaltung rechnet jeden Moment mit dem "Anprall von Verkehrsteilnehmern" und lebensgefährlichem Steinschlag.
Vor meinem geistigen Auge sehe ich schreckliche Bilder von kolossalen Felsbrocken in der Größe von Tennisbällen, die sich aus dem teils hüfthohen Mäuerchen lösen und ganze Radtouristik-Familien auf dem meterweit entfernten Asphaltweg aus dem Sattel schießen. Oder den Anprall von Senioren, die mit überhöhter Geschwindigkeit auf dem Fußgängerstreifen unterwegs sind und dabei auf Höhe der gefürchteten Loher Nordwand den Rollator verreißen. Mir deucht sogar, dass Stephen Kings nächster Roman den ummauerten Steingarten am Loh thematisiert. Das Werk wird "Friedhof der Puky-Räder" heißen!
Unter diesem Gesichtspunkt ist es tendenziell überraschend, dass fast alle Straßen auf Mallorca links und rechts von genau solchen Bruchsteinmauern begrenzt werden und die EU die Insel trotzdem noch nicht gesperrt hat. Dabei sind diese Steinwälle doppelt so hoch wie die am Loh. Über den Anprall größerer Mengen Touristen oder Ziegen ist dort bisher allerdings noch nichts bekannt geworden. Von vorne nicht und erst recht nicht von hinten. Das wird sich möglicherweise ändern, falls die ersten deutschen Urlauber in ihrem Mietwagen Helene Fischers Weihnachts-CD hören und komplett aus der Bahn geworfen werden, wenn die blondierte Totengräberin des deutschen Musikgeschmacks auch noch auf Spanisch "Feliz Navidad" kreischt.
So hängt am Ende trotz vieler Missverständnisse also doch alles irgend wie zusammen.
Bis die Tage!