Nach Toreschluss - die Wochenend-Satire Zwischen den Jahren

Wuppertal · Gerade war noch das Christkind bei zwölf Grad im Bikini da und schon sind wir zwischen den Jahren angekommen. Wobei ich mich immer gefragt habe, wann dieses "zwischen den Jahren" eigentlich genau genommen stattfindet.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Bei mir ist nämlich noch bis einschließlich Donnerstag um Mitternacht eindeutig 2015.

Und erfahrungsgemäß spricht einiges dafür, dass dann ab 1. Januar um Null Uhr 2016 beginnt. Unter diesem Gesichtspunkt kann mit "zwischen den Jahren" also definitiv kein Zeitraum gemeint sein. Sonst hätten wir ja plötzlich so etwas wie das Jahr 2015,5 und damit ein temporäres Paralleluniversum.

Nein, "zwischen den Jahren" kann sich meiner Meinung nach nur auf einen bestimmten Gemütszustand beziehen. Wir sind ja weitgehend am Ende eines Jahres, von dem wir uns in der Regel gewünscht hätten, dass es so geworden wäre, wie es am Ende doch nicht wurde. Und stehen unmittelbar vor Beginn eines neuen Jahres, für das wir uns genau dasselbe wünschen, obwohl wir tief drin wissen, dass es eher wieder so kommen wird wie letztes Jahr. Speziell in Wuppertal.

Passend dazu wünschen wir uns in diesem Zustand lokalseelischer Orientierungslosigkeit instinktiv gegenseitig einen "Guten Rutsch", weil die Erfahrung dafür spricht, dass es in Wuppertal auch im noch nicht begonnen habenden Jahr wieder eher abwärts geht, auch wenn der Glaube an das Gegenteil am Ende des noch nicht abgelaufenen Jahres deutlich größer ist als noch im Jahr zuvor. Rutschen ist da genau das richtige Sinnbild, weil das ja nur runter geht und nicht rauf. Würde man ernsthaft an das Gegenteil glauben, müsste es "Gutes Klettern" oder "Guten Flug" heißen.

Sie merken an dieser Stelle möglicherweise, dass "zwischen den Jahren" eine höchst komplexe Angelegenheit ist. Natürlich fragt man sich dabei auch, wo das "Zwischen den Jahren"-Wunschdenken aufhört und der Realitätsverlust anfängt. Bei den Wuppertalern ist meiner Meinung nach da noch alles in Ordnung. Im Gegensatz zum DFB.

Dazu müssen sie wissen: Seit ich 2008 mal online für ein Schweinsvermögen Karten zum Länderspiel gegen Wales in Mönchengladbach gekauft habe, bekomme ich regelmäßig Mails vom Deutschen Fußball-Bund. Leider nie mit einer Entschuldigung für die grauenhafte Leistung beim kärglichen 1:0, sondern mit neuen Angeboten — und vor ein paar Tagen mit einem Festtagsgruß folgenden Inhalts: "Für den deutschen Fußball neigt sich das Jahr dem Ende zu. Wir blicken auf viele tolle Momente zurück."

Da weiß man gar nicht so genau, welche tollen Momente die meinen: Die ersten Veröffentlichungen zum WM-Vergabe-Skandal im Magazin "Der Spiegel", den Rücktritt des Präsidenten oder den Sturz des Kaiser-Franz-Denkmals? Der DFB befindet sich ganz offensichtlich in einer verschärften "Zwischen den Jahren"-Orientierungslosigkeit.

Das ist ja auch kein Wunder: Man weiß, dass man 2006 ein wunderbares Sommermärchen hatte, das man gar nicht gehabt hätte, wenn man es nicht schon vorher verbotenerweise gekauft und damit nachträglich so kaputt gemacht hätte, dass einem auch jetzt zwischen den Jahren schon klar ist, dass man auch Ende 2016 im Rückblick deshalb nichts zu Lachen gehabt haben wird.

Bei allem dadurch ausgelösten Realitätsverlust behält aber auch in den Reihen des DFB einer die Übersicht: Im mir begleitend zugeschickten Grußvideo sitzt Jogi Löw mit seinem hölzernen Trainerstab in einem ziemlich düsteren Büro an einem krosigen Tisch und nuschelt in einer dreisekündigen Sequenz "... schöne Weihnachde und ä gude Rutsch ins neue Jahr".

Da kann ich mich nur anschließen und bin dabei sehr zuversichtlich, dass es in Wuppertal 2016 weniger abwärts geht als für den DFB. Im Gegenteil: Weil wir gerade im "Zwischen den Jahren"-Modus sind, träume ich sogar von einem Wuppertaler Aufschwung. Lesen Sie dazu doch mal übermorgen die Rundschau. Sie werden überrascht sein ...

Bis die Tage!