Nach Toreschluss - die Wochenendsatire antrekkery.de

Wuppertal · Was soll ich bloß anziehen? Erst wenn man morgens diese Frage beantwortet hat, kann man zur Arbeit gehen. Es sei denn, man ist Pornodarsteller oder Saunameister. Da das aber auf die wenigsten Wuppertaler zutrifft, müssen wir alle gelegentlich Klamotten kaufen.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Manche Leute machen das ja im Internet, wo es seit einiger Zeit auch Plattformen gibt, auf denen man von Online-Stylisten komplett eingekleidet wird, nachdem man eher rudimentär zu modischen Vorlieben befragt wurde. Das ist das gleiche Prinzip wie in jenen Ehen, wo Frauen den Männern morgens die Sachen rauslegen.

Ich probiere jetzt auch mal so eine Plattform. Wir wollen sie aus Diskretionsgründen antrekkery.de nennen. Wie inzwischen eigentlich überall, muss man sich auch hier erstmal registrieren. Das nervt. Ich warte ja auf den Tag, wo ich auch noch für meine Toilette ein Benutzerkonto brauche. Aber egal, Hauptsache ich bin danach schick im Zeug. Zur Registrierung gehört, dass man sein Stilprofil erstellt. Dazu soll man auf alle möglichen Hosen, Hemden und Schuhe klicken und dann angeben, wie alt man sich fühlt. Die Auswahlmöglichkeiten sind in größeren Altersklassen vorgegeben und legen nahe, dass ab 55 aufwärts keine modischen Differenzierungen mehr erforderlich sind. Ich fühle mich daher sicherheitshalber 20 Jahre jünger, um nicht nur beige Übergangsjacken geschickt zu bekommen.

Es folgt das garstige Fenster: "Sprechen wir über dich", in dem ich wesentliche Körpermaße angeben muss. Wenn man zu klein für sein Gewicht ist, könnte man natürlich mogeln, kriegt dann aber später wahrscheinlich die Buxe nicht zu. Auf den physischen Offenbarungseid folgt der finanzielle, bei dem man erklären muss, wie viel man für Hemd und Hose & Co ausgeben möchte. Das Feld "kommt drauf an, wie die aussehen" ist nicht vorgesehen. Und dass man überhaupt weiß, was man bekommt, auch nicht, wie im weiteren Verlauf der Bestellung deutlich wird.

Statt einer Bux kriegt man nämlich mit dem letzten Klick eine Box, die irgendjemand — vermutlich der bekannte Stylist Giorgio Algorithmus — auf Basis meiner Daten zusammenpackt. Ich kann mich dann zu Hause überraschen lassen (auch vom Preis) und alles zurückschicken, was ich nicht will. Das ist lästig und außer als Geschäftsmodell für die Post auch nicht nachhaltig. Damit ist antrekkery.de für mich gestorben und ich breche den Kontakt ab.

Umgekehrt gilt das nicht. Denn wenige Tage später bekomme ich eine Mail mit der erfreulichen Nachricht, dass mein persönlicher Antrekker schon mal einige Outfits der Woche für mich zusammengestellt hat. Da gucke ich natürlich schnell nach und entdecke mehrere Klamotten-Kompositionen, die ich garantiert schon immer mal nicht haben wollte. Ich könnte damit wahlweise bei den internationalen kanadischen Holzfällermeisterschaften antreten, den Christopher Street Day in Köln moderieren, an einer amerikanischen Highschool studieren oder mich Karneval als Rapper verkleiden. Präsentiert werden diese Designerstücke zudem von einem männlichen Supermodel, das mit meinen Maßen so viel Ähnlichkeit hat wie ein Mittelklassekombi mit einem Ferrari.

Wissen Sie was: Ich gehe jetzt bei uns in der Stadt in einen schönen analogen Laden. Da darf ich nämlich sogar ohne Benutzerkonto rein, kann mir die Klamotten ganz alleine aussuchen und weiß sogar vorher, was sie kosten, weil da diese praktischen Preisschilder dran sind. So finde ich garantiert was zum Antrekken ganz ohne de ...

Bis die Tage!