Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Tanken in Binzwangen

Wuppertal · Neulich mussten meine Frau und ich zur Hochzeit einer sehr netten Nichte nach Süddeutschland. Gefeiert wurde in Heiligkreuztal bei Andelfingen in der Nähe von Binzwangen. Bei allen drei Orten handelt es sich um Haufendörfer irgendwo zwischen Ulm und dem Bodensee, die fast 100 Kilometer von der nächsten Autobahn entfernt liegen.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Und zwar völlig zu Recht.

So wird nämlich vermieden, dass arglose Durchreisende auf schwäbische Ureinwohnern treffen, mit denen eine Verständigung auf Hochdeutsch nicht möglich ist.

Das weiß ich, weil es sich begab, dass wir in Binzwangen tanken mussten. Die einzige Zapfstation des Landstrichs war schon kilometerweit vorher mit überdimensionalen Schildern beworben worden, auf dass der Fernreisende bei seiner Tour durch die schwäbische Alb zielsicher diese Servicestation ansteuern und sein dürstendes Fahrzeug mit frischem Benzin versorgen möge. Vor meinen Augen sah ich also einen modernen Zapfsäulen-Wald mit angeschlossenem Mini-Supermarkt und Backshop, wie er uns Wuppertalern an jeder Ecke das urbane Leben ein bisschen leichter macht.

Mit Blick auf die Uhr, die da 10 Uhr am Samstagvormittag zeigte, sog ich bereits virtuell Kaffeeduft in die Nase und hatte den Mund schon halb offen stehen, um selbigem demnächst ein frisches Croissant zuzuführen.

Bereits die Anfahrt zum Automobilisten-Paradies gab allerdings Anlass zur Skepsis. Die Tankstelle befand sich nämlich im Binzwanger Industriegebiet, das im Wesentlichen aus der Schreinerei Erwin und Markus Hecht besteht. In deren überschaubarem Schatten versteckte sich tatsächlich ein kleines überdachtes Gelass, unter das ein barmherziger ortsansässiger Unternehmer einige wenige Zapfsäulen gestellt hatte.

Wegen der unchristlichen Zeit mitten am Vormittag war die Tankstelle allerdings geschlossen. Ein offenbar nicht unüblicher Zustand im haufendörflichen Umfeld, weshalb an der Wand des angrenzenden Service-Häuschens ein Tankautomat installiert war. Mutmaßlich hatte der Betreiber so viel in die überörtliche Beschilderung investiert, dass Personal und Croissants nicht mehr finanzierbar waren.

Tankautomaten sind in Großstädten ja tendenziell so selten wie saubere Luft, weshalb wir uns interessiert der Gebrauchsanweisung zuwendeten. Die las sich einfach: Scheckkarte in den Schlitz, Geheimzahl in die Tastatur, Zapfhahn in den Tank und fertig. Bis Punkt drei ging alles gut. Dann aber schnuckte plötzlich die Verriegelung der Zapfpistole zurück und stoppte den Benzin-Bezug nach beachtlichen 1,64 Litern Durchfluss. Mit 1,64 Litern wären wir von Binzwangen aus höchstens bis Herbertingen oder Upflamör gekommen, was die Sache nicht unbedingt besser gemacht hätte.

Also drückte ich den Zapfhebel wieder — ohne Erfolg. Im zweiten und dritten Anlauf kam auch kein Benzin, sondern nur leichter Unmut bei mir auf. Zumal sich der Kasten an der Wand nach wie vor im Besitz der Scheckkarte befand und keine Anstalten machte, die wieder rauszurücken.

In diesem Moment schälte sich ein paar Meter weiter ein Mann in Badeschlappen und Trainingsanzug aus einem tiefer gelegten Opel und rief mir aufmunternd Folgendes zu: "Schmüüüschäääzapschpscholääähschteinihänga." Ach so — "Wie bitte?" "Smüssetschodzappischdolzäschteinihänga", wiederholte er erkennbar bemüht auf Hochdeutsch, winkte freundlich, raffte die Landestracht und fuhr weg.

Nach mehreren Minuten intensiven Testens unter Ausstoß international verständlicher Flüche kamen wir trotzdem auf die Lösung: Man muss die Zapfpistole erst wieder an die Säule hängen, dann kriegt man eine Quittung über 2,13 Euro und die Karte und kann dann wieder von vorne anfangen. Oder wie wir schnell wegfahren und hoffen, dass es bei Öl-Weckerle in Scheer besser läuft.

Woischt, Karle: Irgendwie ist doch nicht alles schlecht an Wuppertal ...

Bis die Tage!