Kommentar: Warum die Alte Feuerwache mehr als Zustimmung braucht Worte, Worte, immer nur Worte
Wuppertal · Mit einem Appell Kinderarmut zu bekämpfen, verhält es sich etwa so wie mit Forderungen nach einem höheren Gehalt, mehr freien Tagen oder Schokolade für alle: Wer das verspricht, dem ist die Zustimmung sicher.
Und die Sympathien gleich dazu. Das Tragische an dieser uneingeschränkten Einigkeit ist — sie wirkt mitunter wie ein Narkotikum.
Wo man sich angesichts des Elends ergriffen auf die Schulter klopft, da fehlt es am belebenden Widerspruch und an konstruktiven Diskussionen. Aber genau die braucht es, um etwas bewegen zu können.
Zu beobachten ist dies bei der Alten Feuerwache. Gerade erst mit dem WDR-Kinderrechtepreis ausgezeichnet und zum 25. Geburtstag einmal mehr mit warmen Lobes-und Dankesworten überschüttet, kämpfen Joachim Heiß und Jana-Sophia Ihle einen harten Kampf gegen die Trägheit der Zustimmung. An Lob und Anerkennung mangelt es dem Team der Alten Feuerwache sicher nicht — und das ist auch gut so. Aber was nutzen die schönsten Worte, wenn die Taten fehlen? Wenn das Geld einfach nicht da ist (sagt die Politik), die Große Kooperation nicht handelt (sagt die Opposition), es Sache von Land und Bund ist (sagt die Kommune) und es so viele wichtige Projekte in der Stadt gibt, die man unterstützen muss (sagen viele — zum Glück nicht alle! — Sponsoren). Gegen all das lässt sich ganz schwer argumentieren. Und statt konkreter Hilfe gibt es gegenseitige Schuldzuweisungen, bei denen die Kinder ganz schnell wieder zur Nebensache werden.
Um diese Trägheit zu durchbrechen, erzählen Ihle und Heiß vom Alltag ihrer Arbeit. Von den Ausnahmen, die längst die Regel sind in Wuppertal: Kinder, denen es am Nötigsten mangelt. Die kein angemessenes Essen bekommen, keine vernünftige Kleidung, die im Winter in Sandalen herum laufen oder nach 22 Uhr über die Straße irren. Kinder, die schon in ihren jungen Jahren an Depressionen leiden, die aufgrund der Konflikte der Eltern aggressiv sind — oder sich vor der Welt zurückziehen, weil sie sich schon jetzt abgehängt fühlen. Und das völlig zu Recht.
Studien beweisen es: Armut ist erblich. Kinder aus sozial schwachen Familien schaffen es so gut wie nie, die Abwärtsspirale zu durchbrechen. Einmal am unteren Ende der Gesellschaft, bleibt ihnen die soziale Teilhabe verwehrt, genau wie die Chance auf Perspektive und Entwicklung. Wie bitter ist das, wie unverständlich: Ein reiches Land wie Deutschland, in dem die Konjunktur brummt, lässt seine Kinder einfach zurück.
Das ist keine Frage von Mitleid oder linkem Gedankengut: Eine Gesellschaft, die ihre Kinder so vernachlässigt, der es nicht gelingt, die Kinder wieder zu integrieren, ihnen gesundes Essen und warme Kleidung, Bildung und Zuwendung — eine Perspektive zu geben, die verspielt ihre eigene Zukunft. Denn wie sollen diese Kinder später zu wichtigen und stabilen Pfeilern der Gesellschaft werden? Von den Folgekosten gar nicht zu reden. In Wuppertal gelten ein Drittel der Kinder als arm. Es ist ein nüchternes Rechenbeispiel, wohin das führt.
Die gute Nachricht ist: Es gibt Lösungen. Die Alte Feuerwache hat sie und lebt sie mit den "8samkeitsgruppen" eindrücklich vor. Und keine Sorge: Die Erfolge gibt es nicht nur in Form lachender Kinder, sondern auch in handfesten Zahlen, nachzulesen in der aktuellen Broschüre zur "8samkeitsgruppe". Die Idee eines Kindergartens, der die Kleinsten abholt und ihnen die bestmögliche Bildung gibt, ist ein weiterer Baustein. Er könnte ein tragfähiges Modell sein, übertragbar auf andere Quartiere, die ganze Stadt — und darüber hinaus. Wuppertal könnte damit einmal mehr etwas erschaffen, das ein positives Signal nach außen sendet: Ja, wir sind arm, aber wir finden uns nicht damit ab. Wir haben innovative Konzepte gegen Kinderarmut. Wir lassen das nicht zu!
Andreas Mucke hat im Wahlkampf immer wieder die Bedeutung von Prävention hervorgehoben, explizit die Arbeit der Alten Feuerwache gelobt. Im Rundschau-Interview sagte er damals: "Es kann nicht sein, dass ein Projekt wie die '8samkeitsgruppe' der Alten Feuerwache ausschließlich durch Spenden finanziert wird. Bei sowas werde ich aktiv als politischer OB agieren und alle Fraktionen mit einbeziehen." Bis jetzt ist das nicht geschehen. Man kann so ein Problem sicher nicht in einem Jahr lösen — aber man sollte jetzt damit beginnen, damit es nicht nur leere Worte bleiben. Davon gibt es genug.