Kommentar: Wer darf unsere Weihnachtsmärkte machen? Vom "Brexit" bis nach Barmen
Wuppertal · Ist ja schon verrückt: Mitten im Sommer 2016 reden wir über vier Wuppertaler Weihnachtsmärkte des Jahres 2017. Während sie sich in ihren Büros wahrscheinlich den Juli-Schweiß von der Stirn wischen, sind jetzt Mitarbeiter der Verwaltung damit beschäftigt aufzulisten, was derjenige (oder diejenigen) bringen und machen müssen, die den Elberfelder "Lichtermarkt", den Barmer Weihnachtsmarkt, den Mittelalter-Markt auf dem Laurentiusplatz und den "Winterzaubermarkt" auf der Hardt durchführen wollen.
"Leistungsverzeichnis" lautet das Wort der Stunde — und eigentlich geht es um gleich vier "Leistungsverzeichnisse", denn diese vier Märkte sind ja (mit voller Absicht) ganz unterschiedlich. Das kann noch lustig werden.
Auch die Politiker-Diskussion über das "Leistungsverzeichnis", das die Verwaltung (wenn alles klappt) nach der Sommerpause vorlegt, dürfte spannend werden. Wie viel Kunstschnee, wie viele und welche Buden, welche Tannen, welche Sortimente, und, und, und: Diskussionen dieser Art bieten Stoff für monatelange (garantiert auch kabarettreife) Debatten zwischen "GroKo" und Opposition. Glücklicherweise ist der Zeitplan eng. Man muss sich, wie der gute Knecht Ruprecht, sputen, um pünktlich zum November/Dezember 2017 in ebenso weihnachtlich-friedvoller wie EU-vergaberechtskonformer Stimmung dazustehen.
Wer sich das Verfahren, das jetzt (plötzlich) unumgänglich ist, anschaut, dem fallen viele "Brexit"-ähnliche Anti-EU-Statements ein. Dass wir nicht einfach selbst entscheiden können, wer unsere Weihnachtsmärkte machen soll, ist schwer zu vermitteln. Und dass die "IG 1" viel Zeit, Geld und Gehirnschmalz in einen ganz neu aufgestellten "Lichtermarkt" investiert, nun aber dumm und (vorerst) gründlich ausgebremst dasteht, hebt die Stimmung auch nicht gerade. Wieder einmal ist es das EU-Recht, das stets noch viel abstrakter wirkt als es nationales Recht ohnehin schon tut, das uns in die Suppe spuckt.
Aber warum gibt es diese nationalen und EU-weiten Vergaberichtlinien? Um Kungeleien, "Unter-der-Hand-Amigo-Aktionen" & Co. zu verhindern. Um echten, durchschaubaren Wettbewerb zu garantieren. Dagegen dürfte kaum jemand etwas haben. Trotzdem: Wenn die gute Absicht das "EU" trägt, gehen die Mundwinkel automatisch nach unten. Ein echtes Problem, dessen Dimension vom "Brexit" bis nach Barmen reicht. Viel Erklärungsarbeit für alle, die Politik machen. Werden sie sie leisten (können)?
Konkret: In Sachen Weihnachtsmärkte hat es immer Gemäkel gegeben. Wird das mit einem umfassenden "Leistungsverzeichnis" aufhören? Wohl kaum. Man könnte auf die Idee kommen, dass die Frage "Wie sollen unsere Weihnachtsmärkte aussehen?" ein Thema für eine große Bürgerbeteiligungs-Aktion wäre. Ich bin fast sicher, dass es daran weit mehr Interesse gäbe als an Seilbahn oder Forensik. Schon verrückt, was einem so durch den Kopf geht — mitten im Sommer, ganz ohne zu viel Glühwein intus ...