Kommentar zur Situation der Wuppertaler Bühnen Eine allerletzte Chance

Wuppertal · Ein Jahr genau ist es her, dass Enno Schaarwächter Alarm geschlagen hat: Wenn sich nichts ändert, haben die Wuppertaler Bühnen Ende der Spielzeit 2019/20 kein Geld mehr für einen gleichbleibenden Spielbetrieb.

Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz.

Foto: Bettina Osswald

Mit der Folge, dass vermutlich eine Sparte geschlossen werden müsse. Der Aufschrei war groß, der Auftrag an den Aufsichtsrat der Bühnen lautete, ein Restrukturierungskonzept für den halbtoten Patienten zu entwickeln.

Um dies auf fundierte Füße zu stellen, beauftragte man das in Wuppertal bereits bekannte Strategie-Unternehmen Actori. Das Ergebnis dieses Gutachtens verkündet Kulturdezernent Matthias Nocke nun als gute Nachricht: Die Bühnen können weiter Theater machen — jedenfalls für fünf Jahre.

Das ist schön, wenngleich die Botschaft dahinter noch die gleiche ist wie vor einem Jahr: Wenn nicht ganz grundlegend etwas geschieht (wie die Aufhebung der Deckelung der städtischen Zuschüsse), dann fällt in absehbarer Zeit der letzte Vorhang. Dank der Handlungsempfehlungen von Actori wäre das halt zwei Jahre später als erwartet. Eine Rettung ist das nicht, lediglich ein Aufschub.

Es ist möglicherweise der Aufschub einer sehr unpopulären Entscheidung, die seit Jahren niemand treffen mag. Denn vielleicht hilft auf Dauer nur die Schließung einer Sparte, um den verbleibenden genug Luft zu verschaffen. Die Maßnahmen, die das Gutachten aufzeigt, lesen sich zudem so selbstverständlich, dass man sich fast schon wundert, dass dies in Anbetracht der drängenden Lage nicht ohnehin selbstverständlich ist: Sponsoren suchen, Marketing verstärken, die vorhandenen Ressourcen effizient nutzen und — spielen, spielen, spielen.

In der Banalität dieser Ansätze steckt aber auch die bittere Erkenntnis, wie viele Fehlentscheidungen in den vergangenen Jahren in Sachen Bühnen in Wuppertal getroffen wurden und wie groß der Schaden ist, den man damit angerichtet hat: Mit der Personalie Kamioka als Opernchef, der Abschaffung des Opern-Ensembles, des Stagione-Betriebs, der Schließung des Schauspielhauses als großer Spielstätte, dem Cut der erfolgreichen Intendanten von Treskow/Weigand. Alles, worum es jetzt geht, bedeutet gerade mal eine Rückkehr zum Normalbetrieb — nicht mehr.

Und doch ist dieser Aufschub zum jetzigen Zeitpunkt die einzig richtige Entscheidung. Zum einen, weil die Zeichen bei Oper und Orchester auf Neuanfang stehen. Das Programm, das der künftige Opernintendant Berthold Schneider für seine erste Spielzeit vorgestellt hat, sein Enthusiasmus, seine Kooperationen quer durch die Stadt — das nährt die Hoffnung, dass der Neustart der Oper gelingen kann.

Zum anderen endet der Stärkungspakt 2020, und damit gibt es zumindest theoretisch die Chance, dass Wuppertal danach mehr Geld in die Kultur investieren und mit eisernem Willen vielleicht sogar die Deckelung der Zuschüsse aufheben kann. Denn am Ende wird man nicht drum herum kommen, eine Entscheidung zu treffen: Entweder man weist den Bühnen so viel Geld zu, dass sie endlich gesunden können — oder man erlöst den todkranken Patienten von seinem Dahinvegetieren. So schwer das auch fällt.

Der damalige OB-Kandidat Andreas Mucke hat vor einem Jahr gefordert: "Der Deckel muss weg". Die Schuld an der Misere der Bühnen gab er vor allem dem damals amtierenden Oberbürgermeister Peter Jung. Als Aufsichtsratsvorsitzender der Bühnen habe dieser jahrelang bewusst die Bühnen auf das Aus hin zusteuern lassen, statt ihnen politische Rückendeckung zu geben, so Mucke damals in einer Pressemitteilung.

Inzwischen ist der Hobbyschauspieler und Theaterliebhaber selbst Oberbürgermeister und hat sich die Rettung der Bühnen als Drei-Sparten-Haus auf die Fahnen geschrieben. Logische Konsequenz: Mucke sollte den Vorsitz des Aufsichtsrates des Bühnen übernehmen. So kann er die Geschicke bestmöglich lenken. Das kann bei der Umsetzung entscheidender Maßnahmen von Vorteil sein, zumal sich nicht alle Intendanten gleich engagiert zeigen — und doch einflussreiche Fürsprecher haben. Und sollte die Rettung nicht gelingen, muss er persönlich Verantwortung übernehmen.

Es wäre keine Überraschung, wenn der Taktiker Andreas Mucke hinter den Kulissen bereits genau an solchen Plänen arbeitet ...