Kommentar zur Stadtentwicklung an der Mirke Wuppertal braucht Mut zur Utopie

Wuppertal · Als Utopie bezeichnet man gewöhnlich eine Idee, die so wirklichkeitsfern oder fantastisch ist, dass man sie nicht verwirklichen kann. In Utopiastadt im Mirker Bahnhof an der Nordbahntrasse werden seit einigen Jahren Modelle des Zusammenlebens, der Stadtentwicklung gedacht, die alles andere als wirklichkeitsfremd sind.

Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz.

Foto: Bettina Osswald

Ganz konkret entwickeln dort verschiedene Akteure um die Utopiastadt-Initiatoren Beate Blaschczok und Christian Hampe Ideen und Pläne für das unmittelbare Quartier, die dann in größere Zusammenhänge transformiert werden können.

Das klingt abstrakt, ist aber so innovativ und erfolgreich, dass Utopiastadt neben der Nordbahntrasse und der Junior Uni längst ein mit verschiedenen Preisen ausgezeichnetes Vorzeigeprojekt der Stadt Wuppertal ist. Studenten, Kreative und Wissenschaftler suchen die Nähe zu diesem Thinktank, überregionale Medien geraten ins Schwärmen, Minister sind voll des Lobes. Utopiastadt ist neben dem Wuppertal Institut längst ein Aushängeschild für kreativen gesellschaftlichen Wandel made in Wuppertal geworden. Geld bringt das vordergründig nicht, aber so kreiert man ein positives, spannendes Image für eine fortschrittliche Stadt jenseits des Konsums. Und das ist kein geringer Standortfaktor.

Soweit sind sich eigentlich alle einig. Jetzt aber wird es spannend, denn rund um den Mirker Bahnhof gibt es eine Freifläche von rund 60.000 Quadratmetern, die der ehemaligen Bahn-Tochter Aurelis gehört. Für die Macher von Utopiastadt ideal zur Verwirklichung ihres Utopiastadt-Campus. In einer Art Gegengewicht zum Döppersberg soll hier ein neues Zentrum Wuppertals entstehen, das sich an anderen Werten orientiert, der Stadt eine andere Farbe hinzufügt. Für diese Entwicklung wünscht sich Utopist Christian Hampe Zeit. Keine Schnellschüsse soll es geben, wichtige Diskussionen sollen ausführlich vorab geführt werden, das Gelände nicht einfach irgendwie bebaut werden — nicht mit der erstbesten Idee und nicht aus reinem Profit. Dann, so Hampe, könne dort ein Cluster für kreative Stadtentwicklung entstehen, von dem Wuppertal langfristig profitiert.

Die Unternehmensgruppe Küpper, die das Vorkaufsrecht für das Gelände besitzt, hat ihre eigenen ehrgeizige Pläne zur Entwicklung der Fläche zugunsten des Utopiastadt-Campus zurückgestellt. Die Wirtschaftsförderung wiederum hat recht pragmatische Vorstellungen, wie man Kleingewerbe und einen Kindergarten auf einer Teilfläche rund um Utopiastadt ansiedeln kann. Im Sinne einer großen Utopie ist das nicht. Es wäre vielmehr ein Beispiel für Stadtentwicklung, wie sie Wuppertal in den letzten Jahren betrieben hat und die zunehmend (und zurecht) in die Kritik geraten ist: Flächen planlos verkaufen und zubauen ohne Gestaltungskraft, Visionen und ohne den Blick auf das große Ganze.

Jetzt hat die Stadt die Chance, etwas richtig zu machen. Das Geld für den Kauf der gesamten Fläche mag sie nicht besitzen. Doch was in ihrer Macht steht, um hier etwas Großes entstehen zu lassen, das sich nicht an Gewerbesteuern & Co. orientiert, sollte sie tun. Für Oberbürgermeister Andreas Mucke, der stets betont, eine neue Form der Stadtentwicklung fördern zu wollen, könnte dies ein erstes eigenes Ausrufezeichen in seiner Amtszeit sein. Was mit dem Gelände im Mirker Quartier passiert, ist jetzt eine politische Entscheidung. Hoffentlich ist es eine weitsichtige.