Projekt „Akti(F) – Familiencoaching Wuppertal“ „Armut ist ein großes Problem“
Wuppertal · In manchen Familien ist die Not so groß, dass die Eltern Probleme aus eigener Kraft nicht bewältigen können. Ein Team aus elf Familiencoaches hilft ihnen nun dabei. Tina Müller leitet das Projekt „Akti(F) – Familiencoaching Wuppertal“. Rundschau-Redakteurin Nina Bossy erklärte sie, wie sie und ihr Team für solche Menschen Lösungen suchen.
Rundschau: Frau Müller, das Projekt, das Sie leiten, coacht Familien dabei, aus finanziellen und sozialen Problemen wieder herauszukommen. Wer sind die Kinder, die von Ihnen in den Fokus genommen werden?
Müller: „Es sind Kinder, die Benachteiligung erleben und von Armut betroffen oder gefährdet sind. Unsere Hilfe ist primär an die Eltern gerichtet, die gestärkt werden. Das sind Eltern, bei denen ein oder mehrere Kinder unter 18 Jahren leben, die ein Recht auf SGB II oder SGB XII haben. Eltern in prekären Lebensumständen. Wir coachen sie, damit sie ihre Benachteiligung und Armut überwinden. Seitdem das Projekt „Familiencoaching Wuppertal“ ins Leben gerufen wurde, haben wir 267 Familien erreicht. 22 weitere Haushalte stehen derzeit auf der Warteliste.“
Rundschau: Vor welchen Problemen stehen die betroffenen Familien? Und nehmen die Problemlagen aus Ihrer Sicht in unserer Gesellschaft immer mehr zu?
Müller: „Armut ist ein großes Problem, und das gab es aus meiner Sicht schon immer. Dabei gibt es viele Hilfen, nur diese Familien scheitern an deren Beantragung. Während der Pandemie hat sich diese Orientierungslosigkeit noch verstärkt. Türen bleiben verschlossen, Begegnung findet oft nicht statt. Wo gibt es Hilfe, welche Rechte habe ich? Die Antwort auf diese Fragen zu finden, fällt den Betroffenen derzeit noch schwerer als sonst.“
Rundschau: Die Problemlage, vor der die Eltern stehen, ist oft sehr komplex. Wie läuft das Coaching ab? Und was ist das große Ziel?
Müller: „Die Familien werden uns über das Jobcenter, das Jugendamt und von den Angeboten der freien Träger vermittelt. Manche kommen auch von alleine auf uns zu. Am Anfang steht das Kennenlernen. Und dann schauen wir genau hin: Welche Probleme gibt es in der Familie? Und wie können wir die in den Griff bekommen? Am Ende des Coachings sollten die Eltern über konkrete Lösungsansätze, über bessere berufliche Perspektiven verfügen und unsere Unterstützung nicht mehr brauchen.“
Rundschau: Sie sprachen die Pandemie an und wie viel durch fehlende Begegnung verloren geht. Darf Ihr Team die Klientinnen und Klienten persönlich beraten?
Müller: „Bei uns in der Beratungsstelle in der Grünstraße gilt 3G und wir möchten unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie die Klienten bestmöglich schützen. Unter allen Vorsichtsmaßnahmen machen wir Hausbesuche und Beratungsgespräche weiter möglich – zur Not an der frischen Luft.“
Rundschau: Apropos Mitarbeiterschaft. Wie groß ist Ihr Team?
Müller: „Wir haben elf Coaches, eine duale Studentin und eine Verwaltungskraft. Besonders wichtig für den Erfolg unserer Arbeit ist, dass wir multiprofessionell aufgestellt sind – von der Kinderkrankenschwester bis zum Sozialarbeiter. Ein riesiger Vorteil unseres Projektes ist übrigens auch, dass es eine Kooperation mit den Wohlfahrtsverbänden der Stadt ist. Wir können die Familien an andere Hilfsangebote, wie zum Beispiel an die Schuldnerberatung, verweisen – und dadurch, dass wir sie begleiten, können wir sichergehen, dass sie dort wirklich ankommen.“
Rundschau: Das Projekt ist befristet, wie sehr viele soziale Angebote. Hindert die Befristung Ihrer Arbeit Sie daran, solche großen Themen wie die Bewältigung von Kinderarmut langfristig in den Griff zu bekommen?
Müller: „Das stimmt, das Familiencoaching ist bis Ende des Jahres befristet. Wir hoffen, dass das Projekt verlängert wird. Die Fördergeber – die EU und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales – wollen durch das Programm neue Wege beschreiten, um Armut zu überwinden. Wir helfen Menschen, berechtigte Hilfen in Anspruch zu nehmen. Wir sind somit ein wesentliches Brückenangebot zwischen den Familien, dem Jobcenter und anderen Hilfen. Meine Hoffnung ist, dass das Ministerium dieses Brückenprojekt als Erfolg betrachtet und zur Regelförderung macht. Und auch für meine Mitarbeiterschaft würde ich mir mehr Sicherheit wünschen. Ich bin sehr stolz auf mein Team, das mit befristeten Arbeitsverträgen so motiviert arbeitet. Und für viele Familien die Lebenslage doch auch langfristig verbessert.“