Kommentar zu OB und Stadtdirektor Zerwürfnis: Pikant, brisant – und folgenschwer
Wuppertal · Normalerweise passiert am Anfang des Jahres ja nicht viel. Normalerweise … Jetzt aber hat das öffentlichkeitswirksam eröffnete Duell zwischen Oberbürgermeister Uwe Schneidewind (Grüne) und Stadtdirektor Johannes Slawig (CDU) für mächtiges Krachen im Gebälk der ohnehin ziemlich zerbrechlichen Rathaus-Polit-Konstellationen gesorgt.
Und man darf – auch nach jahrzehntelangem Dasein als Wuppertaler Lokaljournalist – mit Fug und Recht sagen: Sowas hab‘ ich noch nicht erlebt.
Die Sache ist höchst brisant, denn sie betrifft die zwei „obersten“ Männer dieser Stadt. Der Oberbürgermeister ist der Chef der Verwaltung, der Stadtdirektor ist in dieser Funktion sein Stellvertreter. Es sollte im Idealfall so sein, dass zwischen Leuten, die so eng zusammenarbeiten (müssen), alles (oder wenigstens das meiste) stimmt. Für OB Schneidewind gilt das mit Blick auf Johannes Slawig offenbar nun nicht mehr.
Pikant dabei: Dass Schneidewind als Grüner mit Unterstützung der CDU ins Rennen um das Wuppertaler Oberbürgermeister-Amt gehen konnte, ist nicht zuletzt Johannes Slawig zu verdanken. Der hat seinerzeit im Hintergrund zahlreiche christdemokratische Widerstände gegen den in dieser Konstellation für viele CDU-Traditionalisten höchst ungewöhnlichen Kandidaten glattgebügelt. Und jetzt – frei nach Schiller: Der Mann hat seine Schuldigkeit getan, der Mann kann gehen?
Johannes Slawig ist in dieser Stadt weiß Gott keine unumstrittene Persönlichkeit: Die Verantwortungs- und Machtfülle, die sich bei ihm – nun schon „unter“ Oberbürgermeister Nr. 4 – über mehr als zwei Jahrzehnte akkumuliert hat, ist beachtlich. Finanzen, Personal, Steuerung der städtischen Beteiligungen, die De-Facto-Zuständigkeit beispielsweise für (kulturelle) Mega-Projekte wie das „Pina Bausch Zentrum“ und, und, und ...
Von der Leitung des Corona- und zwischendurch auch noch Hochwasser-Krisenstabes mal ganz zu schweigen. Wer so viel Einfluss plus Omnipräsenz nach innen und außen hat sowie als „Mister Haushalt“ die städtischen Kassenbücher zum Leidwesen vieler sehr akribisch im Blick behält, ist vom Label „Everybodys Darling“ weit entfernt. Johannes Slawig weiß das – und er kann ganz offenbar sehr gut damit umgehen.
Dass Oberbürgermeister Uwe Schneidewind nun die – allüberall als sichere Bank geltende – (nochmalige) Verlängerung der Slawig-Amtsperiode um ab Oktober weitere anderthalb Jahre sowie die dann erst geplante Umstrukturierung der Verwaltungsspitze ganz neu definiert, spricht eine deutliche Sprache. Man könnte das in etwa so übersetzen: Kein Oberbürgermeister kann „sein Ding“ machen, so lange bei Johannes Slawig alle wesentlichen Fäden der Stadt zusammenlaufen. Also er oder ich.
Klingt eigentlich einfach. Ist es aber nicht. Denn nicht der Oberbürgermeister (Schneidewind-Vorgänger Andreas Mucke nannte dieses Amt im Gespräch mit der Rundschau einmal „das überschätzteste der Welt“) entscheidet, ob ein politischer Wahlbeamter, der weitermachen will, auch weitermachen kann. Darüber entscheidet der Stadtrat – mit einfacher Mehrheit.
Der Ball liegt jetzt bei den politischen Parteien. Die haben am Mittwoch bereits deutlich gemacht, dass es mit dem ursprünglichen Zeitplan Schneidewinds, über das Thema am 10. Februar im Rat entscheiden lassen zu wollen, nichts werden wird. Kein Wunder: Das Wort „Gesprächsbedarf“ ist für das, was nun innerhalb der politischen Ratsfraktionen und zwischen ihnen erforderlich ist, die Untertreibung des Jahrhunderts.
Das Eis, auf dem jetzt manche stehen, ist hauchdünn. Wenn die CDU für „ihren“ Kämmerer/Stadtdirektor und damit gegen den OB stimmt, käme das eigentlich der Aufkündigung des schwarz-grünen „Kernbündnisses“ gleich. Wenn die Grünen nicht für das Ende der Slawig-Amtsperiode votieren, beschädigen sie ihren eigenen Oberbürgermeister. Vergleichsweise entspannt „von draußen“ anschauen können sich das Ganze dagegen SPD und FDP.
Was bringt die Zukunft, bei der beispielsweise noch die wichtige Abstimmung über den Stadthaushalt auf dem Programm steht? Eine Ampel auch in Wuppertal? Oder SPD und CDU mit der FDP angesichts eines grünen OB?
Wer sich in diesen Tagen mit den verschiedensten Insidern (die natürlich alle nicht namentlich genannt werden wollen) unterhält, hört viele Statements zu den Themen menschlich-kollegialer Umgang, Aufeinanderprallen zweiter Egos, Professionalität und über Kommunikationsfehler.
Politik – so sehe ich das – funktioniert durch viele Gespräche (vor allem im Hintergrund), viele Kompromisse und zahlreiche Kröten, die man schlucken muss. Vor allem dann, wenn, wie im Wuppertaler Rat, keine Gruppierung eine Mehrheit hat.