Superintendentin Ilka Federschmidt KZ Kemna: „Selbstkritisch auseinandersetzen“

Wuppertal · Vor 90 Jahren wurde das KZ Kemna von der SA eröffnet. Seit 40 Jahren erinnert das Mahnmal des Jugendrings auf der gegenüberliegenden Straßenseite daran. Am Sonntag (9. Juli 2023) gab es erstmals einen Festakt auf dem Gelände der ehemaligen Putzwollfabrik, bei dem auch Superintendentin Ilka Federschmidt sprach. Ein Interview mit der Pfarrerin.

Superintendentin Ilka Federschmidt.

Foto: Kirchenkreis

Der Kirchenkreis hat das Gelände 2019 gekauft. Haben Sie von Beginn an geplant, auf dem Gelände einen Gedenkort zu errichten?

Federschmidt: „Wir haben von Anfang an beabsichtigt, einen Gedenkort zu errichten, aber die Größenordnung des Projekts haben wir da noch gar nicht ermessen können. Durch die aufwändigen bauhistorischen Untersuchungen sind dann einige wichtige Erkenntnisse gewonnen worden und authentische Anknüpfungspunkte entdeckt worden, wie zum Beispiel ein Lastenaufzug, in dem Gefangene gequält wurden, und die Spuren der ehemaligen Wachstube und der Schreibstube, in der die SA neue Häftlinge bei der Ankunft verprügelte. Damit wurde uns deutlich, dass es um mehr gehen muss als etwa eine kleine Ausstellung – vor allem auch im Blick auf die Bedeutung eines solchen frühen Lagers für die Zerschlagung der Demokratie.“

Wie weit sind die Planungen für den Gedenkort, der ja auch ein Lernort für Demokratie sein soll?

Federschmidt: „Zurzeit entwickeln wir als Kirchenkreis mit einem Fachbüro ein historisch-pädagogisches Konzept. Die Umsetzung wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Anhand der Ereignisse von 1933 in Kemna soll deutlich werden, wie die damals jungen Gehversuche einer Demokratie angefochten wurden. Es wird auch um den Aspekt gehen, dass sich in Kemna viele Opfer und Täter persönlich gekannt haben und früher Tür an Tür wohnten.

Auch die Zeitzeugenberichte ehemaliger Inhaftierter werden eine Rolle spielen, wie der Bericht des sozialdemokratischen Malermeisters Friedrich Braß: Sein nüchtern-ironischer Bericht über den Lageralltag aus dem Jahr 1934 wurde für uns zu einem wertvollen Wegbegleiter durch das Gebäude.“

Warum fühlt sich die evangelische Kirche in besonderer Verantwortung für das ehemalige Konzentrationslager Kemna?

Federschmidt: „Wir als Kirche wollen uns selbstkritisch mit unserer eigenen Rolle in der Kemna vor 90 Jahren auseinandersetzen. Selbst die ,Bekennende Kirche‘, die sich gegen eine Gleichschaltung von Kirche und Theologie durch die Nationalsozialisten gewehrt hat, hat den Verfolgten aus der Arbeiterbewegung mit Ausnahme von Einzelnen nicht beigestanden.

Die Pfarrer Trummel und Altenpohl, die beide den Deutschen Christen angehörten und damals nacheinander als Seelsorger im KZ tätig waren, sahen stattdessen in der Lagerhaft die Gelegenheit, Kommunisten und Sozialisten zu missionieren statt ihnen beizustehen. Kirche muss sich im Namen Jesu an die Seite der Opfer stellen. Und in diesem Sinne muss Seelsorge auch parteilich sein.“