An der Nordbahntrasse Trauern, reden, wieder leben

Wuppertal · Am Trauerort in Wuppertal laden Ehrenamtliche wie Irma Drachenberg zum Gespräch ein. Im Sommer wird der schattige Platz an der Nordbahntrasse viel besucht.

Irma Drachenberg am Trauerort.

Foto: Sabine Damaschke

Die Baumgruppe am still gelegten Loher Bahnhof an der Nordbahntrasse hängt voller Trauerkarten. Es ist wieder Zeit, etwas Platz zu schaffen für neue Karten und die Stehle, in der sie liegen, aufzufüllen. An diesem Donnerstag kümmert sich Irma Drachenberg darum. Sie gehört zum Team der ehrenamtliche Trauerbegleiterinnen und -begleiter der vier Wuppertaler Hospizdienste, die regelmäßig Dienst an Wuppertals erstem öffentlichen Trauerort tun.

Die 67-jährige Rentnerin, die sich im Hospizdienst „Die Pusteblume“ der Diakonischen Altenhilfe Wuppertal engagiert, räumt aber nicht nur auf. Sie ist vor allem hier, um mit den Menschen ins Gespräch zu kommen, die diesen Platz zum Innehalten, Erinnern und Trauern nutzen. „Die Karten, die im Baum hängen, sind ein guter Anknüpfungspunkt für ein Gespräch“, sagt sie. Denn wer seine Trauer um einen verstorbenen Angehörigen formuliert habe, bleibe oft noch stehen, um sich die Erinnerungen und Grüße der anderen Kartenschreiberinnen und -schreiber anzusehen.

Raus aus der Isolation

„Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an dich denke“, „Jetzt bist du an einem Ort, wo du keine Schmerzen mehr hast“, „Du bleibst immer in meinem Herzen“: Die tröstenden Worte von Trauernden sind nicht nur auf Deutsch, sondern in vielen anderen Sprachen verfasst – und alle drücken ähnliche Gedanken und Gefühle aus. „Viele, die hier stehen, staunen darüber, wie universell Trauer ist. Sie sind damit nicht alleine, auch, wenn sie sich gerade so fühlen“, sagt Irma Drachenberg. „Der Kartenbaum kann ein Anfang raus aus der Isolation sein, in der sich viele Trauernde befinden.“

Unmittelbar nach dem Tod eines Angehörigen sei das Verständnis bei Freunden und Nachbarn groß, aber nach einiger Zeit gingen sie wieder zum Alltag über und erwarteten das auch von den Trauernden. „Doch Trauer braucht Zeit, die den Menschen in unserer Gesellschaft oft nicht gegeben wird. Viele fühlen sich alleine gelassen und ziehen sich zurück.“

EIne Bank lädt zu Ruhe und Muße ein.

Foto: Sabine Damaschke

Wieder in Kontakt kommen

Am Trauerort, der vor knapp zwei Jahren vor allem auf Initiative des diakonischen Hospizdiensts „Die Pusteblume“ entstanden ist, informiert Irma Drachenberg über die Trauergruppen und Trauerbegleitung, die die Hospizdienste anbieten. Sie weiß aber auch, dass die Hürde, dorthin zu gehen, hoch ist. Das Gespräch am Trauerbaum sieht sie daher als einen ersten Schritt für so manchen Trauernden, sich zu öffnen und wieder in Kontakt zu kommen.

Für intensivere Gespräche steht eine Trauerbank zur Verfügung mit einem Zitat aus Astrid Lindgrens „Ronja Räubertochter“. „Lange saßen sie da und hatten es schwer. Doch sie hatten es gemeinsam schwer und das war ein Trost. Leicht war es trotzdem nicht.“

Lange hat Irma Drachenberg noch nicht mit Besucherinnen und Besucher des Trauerortes auf der Bank gesessen. Sie hat bisher eher Gespräche am Trauerbaum geführt. Doch sie weiß von anderen Ehrenamtlichen, die sich in diesem Sommer ausführlich mit Trauernden auf der Bank unterhalten haben. Manche seien nur wegen dieses Angebotes gekommen.

Zurück ins Leben finden

Am Trauerort könne durch die Gespräche ein „Genesungsprozess“ zurück ins Leben beginnen, meint Irma Drachenberg. Deshalb ist sie gerne dort. Aber auch, weil sie sieht, wie viele Menschen mit Rädern, Inlinern oder auch zu Fuß unterwegs sind und spontan an diesem Ort eine Pause einlegen.

„Als Hospizdienste wollten wir das Tabuthema Tod und Trauer in den öffentlichen Raum bringen, raus aus Friedhöfen, Krankenhäusern und Altenheimen mitten ins Leben, wo Bewegung und Begegnung stattfindet. Das ist uns gelungen“, freut sich die Trauerbegleiterin.