Menschheits-Megaprojekt Das wussten Sie sicher noch nicht über die Energiewende

Die Energiewende ist ein globales Thema. Hochkomplex noch dazu. Kein Wunder also, wenn man als Laie dazu nur "etwas mit Elektro und steigenden Strompreisen" im Kopf hat. Doch ebenso kein Wunder ist es, dass sich dahinter noch viel mehr verbirgt.

Viele Windräder und auf jedem Dach Photovoltaik? Das ist zwar der sichtbarste, aber doch nur ein kleiner Teil der Energiewende.

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Grund genug, ein paar besonders interessante Punkte, die nicht jeder auf dem Schirm hat, genauer zu beleuchten.

Es ist ein typisches Gefühl, dass viele haben: Ist die Energiewende fair? Klar, wer von Staats wegen dazu verdonnert wurde, seine eigentlich noch funktionierende Heizungsanlage auszutauschen, weil sie die 30 Jahre-Lebensgrenze erreicht hatte, der fragt sich das zurecht. Und oft schwingt auch ein bisschen Nationalismus mit: Warum muss das kleine Deutschland so viel für die Energiewende tun, wenn andere, wesentlich größere Länder, sich offenbar kaum Gedanken darum machen? Kurz: viele stellen sich die berechtigte Frage, ob und wenn ja wie fair die Energiewende ist.

Dank der Universität Wuppertal kann man das nun auf wissenschaftlicher Basis beantworten. Dort erstellte ein Team unter Professor Doktor Lietzmann im Auftrag der Bundesregierung ein Soziales Nachhaltigkeitsbarometer und befragte dazu über 7500 Haushalte. Das Ergebnis: Eine große Mehrheit (88%) denkt, dass jeder seinen Beitrag tun müsse, auch die Befragten selbst. Die Ergebnisse, die jetzt noch weiter ausgewertet werden, sollen in den kommenden Wochen und Monaten durch Bürgerdialoge in mehreren Bundesländern unterfüttert werden, damit die Forscher verstehen ob, und wenn ja, in welchem Ausmaß es Einstellungs-Unterschiede gibt.

Noch kommen Mini-PV-Systeme nur bei kommunalen Anlagen zum Einsatz. Etwa Parkautomaten. Bald aber werden sie auch für Mieter interessant.

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Photovoltaik ist der zentrale Baustein, auf den die Energiewende setzt. Dies vor allem, weil er der im Vergleich zum Windstrom räumlich wesentlich flexibler einsetzbare Stromerzeuger ist. Natürlich, ausreichend Wind und Platz gibt es nicht überall, Sonne und jede Menge Dachflächen hingegen schon. Allerdings schaute bislang eine Bevölkerungsgruppe immer in die Röhre: Mieter. Nun gibt es zwar im Solar-Bereich sehr unterschiedliche Methoden, um die Strahlen zu nutzen. Doch alle davon basierten bislang darauf, dass jemand gewillt sein musste, auf sein Haus, sein Grundstück solche Elemente errichten zu lassen. Und wenn der Vermieter sich dagegen sträubte, gab es als Mieter keine Möglichkeit, sich durch eine PV-Anlage die Stromrechnung ein bisschen zu verbilligen.

Nun, bald nicht mehr. Ab 2019 tritt eine bisherige Vornorm als Europanorm in Kraft. Zentraler Inhalt: Mini-PV-Anlagen, etwa solche, die am Balkon hängen und nur vergleichsweise wenig erzeugen, dürfen ab dann legal ins Netz einspeisen. Das reicht zwar höchstens für zehn Prozent des täglichen Strombedarfs eines Haushalts, aber es ist eben der dann legale Weg, gegen die sich der Vermieter nur noch über Umwege wehren könnte.

Das Schlagwort dürfte jeder schon mal gehört haben: "Netzausbau". Manche von uns wissen, dass damit die Energiewende steht und fällt. Doch warum eigentlich? In ganz Deutschland stehen doch schließlich Strommasten?! Ja, das stimmt zwar, aber schaut man sich mal eine Übersichtskarte des Hochspannungsstromnetzes an und vergleicht, was da bereits existiert und was erst in Planung oder Bau befindlich ist, wird schnell klar: In Sachen Hochspannung ist Deutschland ein Archipel voller Inseln.

Früher war das kein Problem, da musste ein Kraftwerk nur eine Region versorgen, die andere wurde eben durch ein weiteres versorgt. Bei der Energiewende, die samt und sonders jedoch auf weitaus weniger vorhersagbaren Energieträgern basiert, muss ein geschlossenes Netz über Deutschland liegen. Erst dann kann ein sonniges Bayern PV-Strom ins wolkenverhangene Niedersachsen liefern, kann Windstrom von der Küste ins Elbtal bei Dresden gelangen. Und nicht nur das: Auch was unsere europäischen Nachbarn produzieren und verbrauchen, muss auf dieses Netz geschaltet werden. Aus dem Grund ist die Sache auch so kritisch. Immer wieder wehren sich Anwohner gegen die Stromtrassen, obwohl ein solcher Zeitdruck herrscht.

Der diesjährige Sommer war für die meisten Wuppertaler "ein Träumchen", gelinde gesagt. Noch wichtiger war er jedoch als Nachweis dafür, wo wir in Sachen Energiewende schon stehen. Denn es war ein Sommer der großen Rekorde. Beispiel gefällig? Bereits jetzt, lange vor Jahresende, wurde bereits wesentlich mehr PV-Strom in Deutschland produziert, als im ganzen Jahr 2017. Ja, größtenteils lag das daran, dass auch wesentlich mehr Sonnenstunden zu verzeichnen waren. Aber es lag auch darin begründet, dass immer mehr, immer effizientere Anlagen eingesetzt werden.

Der Bau der Strommasten ist das größte Problem der Energiewende. Nicht nur, weil schlicht zu wenig notwendige Facharbeiter dafür vorhanden sind.

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Im langjährigen Vergleich massieren sich immer mehr die Tage, an denen Deutschland seinen gesamten Stromverbrauch nur durch regenerative Energien decken kann — oder besser gesagt könnte, wenn der Netzausbau abgeschlossen wäre. Und: 2018 überholte die erneuerbare Energieerzeugung erstmals allen durch Kohle erzeugten Strom.

Ja, es ist ein unbestreitbarer Fakt, dass der Ausbau der Energiewende in Deutschland seit Jahren seinen erklecklichen Teil dazu beigetragen hat, dass die Strompreise durch die Decke schossen. Aber, das stellte jetzt eine Denkfabrik fest, die die Zahlen mal ganz genau unter die Lupe nahm, die Steigerung flacht sich ab.

Warum? Aus drei Gründen:

  1. Die Technik wird immer billiger herzustellen. Und in der gesamten Geschichte des Kapitalismus folgte daraus immer eine Preissenkung. Das ist in der Energiewende vor allem für Anschaffungspreise von Belang.
  2. Die Marktdurchdringung mit erneuerbar erzeugtem Strom nimmt zu
  3. Die EEG-Umlage sinkt immer weiter. Schlecht zwar für alle, die neue PV-Anlagen anschaffen möchten, weil ihre Einspeisevergütung sinkt, gut für alle Stromverbraucher, weil die kWh-Preise für erneuerbaren Strom damit nicht mehr künstlich hochgehalten werden.

Noch drei Jahre, so die Denker, bis 2021, werden wir uns über Preissteigerungen ärgern müssen. Dann ist der Peak erreicht, die Preise sinken.

Bis vor wenigen Jahren gab es nur eine Handvoll Forschungsprojekte, die wirklich die Wissenschaft in ihren Grundlagen voranbrachten. Etwa die "Mission Mondlandung" der Amerikaner oder, so traurig der Anlass auch war, die Atombombe. Tatsächlich sieht es jedoch so aus, dass die Energiewende das alles in den Schatten stellt. Sie ist, global und historisch betrachtet, der größte Forschungsmotor aller Zeiten.

Das liegt daran, dass hier so enorm viele Felder miteinander verknüpft sind. Denn es ist eben nicht nur Elektrizität und Ingenieurswesen, das hier gefordert wird. Chemiker forschen wie verrückt daran, neue Techniken zu finden, um Akkumulatoren viel schneller zu laden und ihnen eine größere Kapazität bei verringertem Gewicht zu verleihen. Bergbauingenieure sind dabei, Geologen, Mathematiker, Computerwissenschaftler, Biologen. Unterm Strich wäre es wahrscheinlich einfacher, eine wissenschaftliche Disziplin zu finden, die nicht von der Energiewende beflügelt wird.

Und hier taugt durchaus der Rückschluss aus der Vergangenheit: Immer, wenn so große Projekte anstanden, warfen sie Unmengen an Dingen ab, die für den normalen Alltag unschätzbaren Wert hatten. Die Mondlandung etwa warf auf diese Weise nicht nur den Taschenrechner in den Ring, sondern auch Klettverschlüsse, Kohlefaserwerkstoffe, Teflon — und sie war auch dafür verantwortlich, dass erstmals die Brennstoffzelle im "scharfen Einsatz" verwendet wurde.

Was die Energiewende für uns noch abwerfen wird, lässt sich noch kaum ermessen. Aber eines wird auf jeden Fall wahrscheinlich sein: Unsere Handyakkus werden in Zukunft wohl wesentlich länger durchhalten.

Fazit

Die Energiewende ist, nüchtern betrachtet, ein Projekt, für das die gesamte Menschheit an einem Strang ziehen muss. Und sie hat unheimlich viele Auswirklungen und Vorteile. Ja, oft mag man sich über gewisse Dinge ärgern, mag sich fragen und grollen. Aber hier gilt der alte Satz "Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut" wie selten zuvor. Ein so großes Projekt hat seine Macken, hat gewisse Negativseiten. Doch auf das große Ganze kommt es an. Und das ist immerhin nicht mehr und nicht weniger, als die Menschheit von nicht-erneuerbaren Ressourcen unabhängig zu machen.