Vor der Ratsentscheidung Breite Allianz für Erhalt der Grünflächen

Wuppertal · 23 Wuppertaler Vereine und Institutionen sprechen sich in einem offenen Brief für den Erhalt von Wuppertals Grünflächen aus. Der Wortlaut.

 Die so genannte „Potenzialfläche“ am Aprather Weg,

Die so genannte „Potenzialfläche“ am Aprather Weg,

Foto: Simone Bahrmann

„Zurzeit werden in Wuppertal mehrere große Bauvorhaben diskutiert: Sechs große Flächen (Schmiedestraße, Jägerhaus/Linde, Lichtscheid-Süd, Dorner Weg, Schöller-West, Aprather Weg) sollen für Gewerbe genutzt werden, mehrere Flächen sollen für Wohnbebauung ausgewiesen werden (z.B. Hipkendahl) oder sind im Regionalplan für eine Nutzung vorgesehen (Kleine Höhe, Marpe, Böhler Wiese). Hinzu kommt der geplante Ausbau der L419 zulasten u.a. der Ronsdorfer Anlagen.

Dies würde eine Versiegelung von weit über 100 ha unbebauter Fläche in Wuppertal bedeuten. Wir halten eine Bebauung solcher Flächen für unverantwortlich. Bisher galt für die Sicherung unseres Wohlstands:

● 1. Der Individual-Verkehr wächst jährlich. Deshalb brauchen wir mehr Straßen. So die Argumentation beim Ausbau der L419.
● 2. Wir brauchen jedes Jahr mehr Wohnungen und insbesondere Einfamilienhäuser. Deshalb brauchen wir regelmäßige Neu-Ausweisungen von Baugebieten.
● 3. Wir sind auf die Neuansiedlung von Gewerbe angewiesen, um Arbeitsplätze und Gewerbesteuer- Einnahmen zu sichern. Deshalb braucht die Stadt Wuppertal jährlich 12 Hektar neue Gewerbeflächen

So werden täglich allein in NRW mehr als 5 Hektar (knapp 10 Fußballfelder) Fläche und damit wertvoller Naturraum für Bebauung und Verkehrswege versiegelt. Dies kann so nicht weitergehen:

1. Grünflächen sind nicht unendlich vorhanden: Die noch wenigen Flächen sind kostbar. Die Pacht- und Immobilienpreise steigen – auf längere Zeiträume gesehen – extrem. Es ist absehbar, dass wir in Zukunft keine verfügbaren Flächen mehr haben werden. Schon jetzt sollen Landschaftsschutzgebiete für Bebauungen geopfert werden, schon jetzt gehen die Planungen bis an den Rand der beiden besonders streng geschützten Wuppertaler FFH-Naturschutzgebiete (Marscheider Wald, Gelpe und Saalbach).

2. Wasserhaushalt: Flächenversiegelung wirkt gleich doppelt negativ. Erstens kann bei Starkregen das Oberflächen-Wasser nicht versickern und führt zwangsläufig, gerade bei uns im Bergischen, zu Überschwemmungen. Experten betonen, dass die künftig bei Extremwetter zu erwartenden Wassermassen durch welche Maßnahmen auch immer nicht vollständig beherrschbar sind (Beispiel Kohlfurth)! Zweitens ist der Boden ein gigantischer Wasserspeicher, und dieses Wasser garantiert in Dürrezeiten die Versorgung von Landwirtschaft und Bäumen und eine dauernde Wasserführung der Siepen und Bäche. Diese Speicherfunktion kann ein versiegelter Boden nicht mehr erfüllen.

3. Kleinklima: Grünflächen am Stadtrand sind im Sommer die Voraussetzung für nächtliche Kaltluft-Ströme in die aufgeheizte Innenstadt. Hitzeschutz wird in den kommenden Jahrzehnten eine große Herausforderung für Innenstädte werden.

4. Schutz der Artenvielfalt, Biotop-Verbund: Der dramatische Rückgang der Artenvielfalt (z.B. bei Pflanzen, Insekten, Vögeln) liegt vor allem am stetig voranschreitenden Verlust von Lebensräumen. Populationen von Vogelarten wie z.B. dem Kiebitz (war auch mal Brutvogel in Wuppertal) brechen irgendwann zusammen, wenn aus einem Verbund geeigneter Lebensräume immer mehr Flächen zerstört werden. Ruhe- und Rückzugsräume für Wildtiere gehen verloren.

5. Landwirtschaft: Die wenigen noch aktiven Landwirte in Wuppertal tragen zu unserer Ernährungssicherheit bei und pflegen das Landschaftsbild. Ihre Existenz steht auf dem Spiel, wenn die Flächen, die sie bisher in Pacht genutzt haben, jetzt für Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung stehen. Viele Landwirte haben schon aufgegeben, und die Begehrlichkeiten auf die verbliebenen Flächen wachsen ständig.

6. Erholung: Wuppertal ist noch eine Stadt im Grünen, aber die wenigen naturbelassenen Landschaften sind am Wochenende von Erholungssuchenden teilweise überlaufen. Nutzungskonflikte zwischen Landwirten, Waldbesitzern, Naturschützern, Spaziergängern, Mountainbikern und Hundebesitzern nehmen zu.

Für die Zukunft Wuppertals fordern wir ein Umdenken: Auf Landes- und Bundesebene gibt es Beschlüsse, die Neu-Versiegelung von Flächen mittelfristig zu reduzieren und langfristig auf Null zurückzufahren. Konkret vor Ort machen wir aber weiter wie bisher und versiegeln unvermindert weiter Flächen.

Wir fordern uns alle auf:

Rat und Verwaltung der Stadt Wuppertal: Setzen Sie sich dafür ein, dass im Regionalplan möglichst keine Flächen im Außenbereich für Wohnbebauung und Gewerbeflächen ausgewiesen werden.

Wirtschaft: Lassen Sie nicht nach in Ihrem Bemühen, Ihre Unternehmen nachhaltig zu führen. Dies gilt auch für den Flächenverbrauch, gerade auch in Gewerbegebieten.

Bürger und Vereine: Engagieren wir uns für einen Erhalt von Wuppertals Grün! Verhindern wir die Pläne zum weiteren Flächenfraß. Und dies nicht nur als Interessenvertreter allein in eigener Sache, sondern für das ganze Stadtgebiet Wuppertals.

Aber auch: Lassen wir unsere Lokalpolitiker nicht allein bei der Suche nach Lösungen. Lösungs-Ansätze könnten sein:

Leerstände bei Wohnungen und ungenutzte Gewerbeflächen. Über 10.000 Wohnungen stehen aktuell in Wuppertal leer! Das Problem ist, dass sie nicht attraktiv sind, weil z.B. zu viel innerstädtischer Autoverkehr vorhanden ist. Es gibt große Leerstände in den Innenstädten (Ladenlokale, Kaufhof-Gebäude, ehemaliges Postverteilzentrum am Kleeblatt). Wir brauchen mehr Wohnqualität in den innerstädtischen Quartieren (zuverlässiger ÖPNV, Bäume, Dach- und Fassadenbegrünung, Brunnen und Wasserspender, Stadtteil-Arbeit (BOB-Campus, Ostersbaum, Arrenberg).

Bereits erschlossene Gewerbeflächen sind ungenutzt, z.B. das Areal der Bergische Sonne, des Kabelwerks Wagner-Park in Wuppertal-Nächstebreck. Bei der Auswahl von Standorten müssen Nachverdichtung, Innenbereichsentwicklung und Baulückenschließung sowie Nach- und Umnutzung bereits versiegelter Flächen und aufgegebener Liegenschaften absoluten Vorrang erhalten. Positive Beispiele dafür sind die Wohnbebauung am Heubruch oder die geplante Erschließung des ehemaligen Lokschuppen-Areals am Bahnhof Vohwinkel.

Unterzeichnende Institutionen:

● Bewusst Leben – bergischer Verein für Gesundheit und Natur e.V. (Dieter Verst)
● Bergische Gartenarche im Wupperviereck e.V. (Nadja Hildebrand)
● BI Pro-Natur-Hipkenahl (Tobias Vetter)
● BI Kleine Höhe (Uwe Teubner)
● BI Marscheid / Jägerhaus / Linde (Sonja Milow)
● BI Schöller West (Manuel Berlin)
● Bürgergemeinschaft Kemna e.V. (Heinz-Werner Schlamm)
● Bürgerverein Küllenhahn e.V. (Michael Ludwig)
● Bürgerverein Hahnerberg-Cronenfeld (Ursula Abé)
● Bürgerverein Laaken-Eschensiepen (Ralf Knappen)
● BUND Kreisgruppe Wuppertal (Beate Petersen)
● Cronenberger Heimat- und Bürgerverein (Rolf Tesche)
● Dinner4future (Anette Müllenschläder)
● Gelpe-Verein e.V. (Jürgen Kämper)
● IG Böhler Hof / Freudenberg (Regine Quinke)
● IG Wuppertals urbane Gärten (Michael Felstau)
Menschen- und Naturfreunde Scharpenacken (Roman Müllenschläder)
● Permakulturhof Vorm Eichholz e.V. (Monika Heinz)
● NABU Stadtverband Wuppertal (Hans-Peter Schill)
● Naturwissenschaftlicher Verein Wuppertal (Dr. Rainer Mönig)
neue ufer wuppertal e.V. (Dajana Meier)
● LNU – Landesarbeitsgemeinschaft Natur und Umwelt, Wuppertal (Jörg Werbeck)
● Sudbürger e.V. (Gerrit Langefeld)

Einzelne Unterzeichnerinnen / Unterzeichner:

● Jagdrevier Cronenberg 12 (Jagdpächter Torsten Bertram)
● Sonja Kies
● Waltraud Rinke“