Leserbrief „Müssen uns wohl alle wieder sehr, sehr ändern“

Wuppertal · Betr.: „Runder Tisch“ der CDU zur Situation in der City und im Luisenviertel, Rundschau vom 24. August

 Symbolbild.

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Foto: Rundschau

Ach, wenn doch alles so schön einfach wär: Wenn nur dem automobilen Verkehr alle Straßen und Plätze wieder offen ständen, wie es uns die FDP ja schon vorgebetet hat, dann ging’s Einzelhandel und Gastronomie im Luisenviertel wieder so gut wie in der guten alten Zeit.

Die untreuen Kunden aus dem Briller Viertel würden nicht mehr 60 Kilometer Hin- und Rückfahrt nach Düsseldorf in Kauf nehmen und dort wegen Anliegerparkplätzen und Fußgängerzonen in doppelt so teure Parkhäuser wie hier fahren. Die hiesigen Gaststätten würden überquellen von Autofahrern, die Abend für Abend literweise alkoholfreie Getränke konsumieren.

Nur leider sieht unsere kleine Welt heute ganz anders aus: Selbst der weniger begüterte Wuppertaler investiert Unsummen in das immer größer und teurer gewordene Statussymbol Auto, ob mit oder ohne E. Der Rest vom verfügbaren Geld geht an Mobilfunk- und Fernseh-Abonnements, Tattoo-Studios und Urlaubsreisen rund um die Welt sind Pflichtprogramm. Lebensmittel und sonstigen persönlichen Bedarf bringen ja die zahlreichen Fahrer der Lieferdienste zum Mindestlohn billig an unsere Haustür.

Im Luisenviertel, ja in der ganzen Stadt, finden nur noch wenige Kunden das, was sie suchen oder sich wünschen. Zu geringe Umsätze, hohe Ladenmieten, hohe Personalkosten und lange Arbeitszeiten im inhabergeführte Einzelhandel lassen die Alten aufgeben und schrecken die Jungen ab. So heißt es seit Jahren immer öfter „Alles muss ‚raus!“ und der früher hochnäsige Spruch „Hier kann man doch nicht einkaufen!“ hat sich leider zur selbsterfüllenden Prophezeiung gewandelt. Wenn wir daran etwas ändern wollen, müssen wir uns wohl alle wieder sehr, sehr ändern.

Und die Gastronomie? In der Friedrich-Ebert-Straße zwischen Kasino- und Briller Straße teilen sich jetzt 22 Betriebe (plus weitere sechs im Bau) das Geld, das die Kunden dafür offensichtlich gern ausgeben. Etwa 18 Parkplätze wurden für eine oft ungemütliche Außengastronomie von den Anliegern geopfert. Das scheint aber die Anzahl der Gäste nicht zu schmälern und niemand zu stören. In der Luisenstraße sind es 16 Betriebe und etwa ebenso viele Parkplätze. Drinks und Cocktails, Eiscreme, gutes oder schnelles Essen, Kaffee in allen Varianten haben alte Reviere übernommen und den klassischen Einzelhandel verdrängt.

Und wer ist schuld dran? Wir alle! Oder bestellen die, die da wehklagen, etwa nichts im Internet? Fahren sie nicht in andere Städte, in denen sowieso immer schon alles besser war hier? Mir fällt dazu nur John F. Kennedy ein: „Frage nicht, was deine Stadt für dich tun kann. Frage, was du für deine Stadt tun kannst!“

Wolf Birke

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