Nach Toreschluss - die Wochenend-Satire Trassen-Typen

So schönes Wetter an Himmelfahrt — da waren natürlich wieder alle auf der Nordbahntrasse unterwegs. Wobei die Nutzergruppen unseres Wuppertaler Rad- und Fußwanderwunderwerks ja sehr unterschiedlich sind.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Höchste Zeit, dass wir uns mal die verschiedenen Trassen-Typen angucken.

Da führt natürlich erstmal kein Weg am ehrgeizigen Jan Ullrich für Arme vorbei, der durch die Trasse motiviert ein Hightech-Bike mit 36 Gängen erworben hat und gerade feststellt, dass die zugehörige Kondition gar nicht im Lieferumfang enthalten ist. Sie erkennen ihn übrigens am wenig kleidsamen Fahrradhelm in der Größe einer Dunstabzugshaube und am Renntrikot mit Werbebannern, bei denen es sich um Umgekehrt-Sponsoring handelt: Ihr Träger zahlt nämlich dafür, auf dem Wohlstandsbäuchlein Reklame für Gerolsteiner oder Coca Cola machen zu dürfen.

Noch ganz am Anfang seiner Karriere steht dagegen Linus-Marvin. Er ist zwischen drei und acht Jahre alt und sitzt auf seinem Puky-Rad ungefähr so sicher im Sattel wie ein Bundesligatrainer nach 28 Niederlagen in Serie. Seine schwankende Freudetrunkenheitsfahrt über die ganze Trassenbreite wird stets von aufmunternden Rufen aus dem Rückraum begleitet: "Linus-Marvin, famma weiter rechts! Linus-Maaaarvin, kumma nach vorne! Linus-Marvin, vorsicht, der Mann! Linus-Maaa... ach du Scheiße!"

Wo wir schon bei den Fäkalien sind, kommen wir auch gleich zum Unschuldslamm: Es löst sich — in der Regel in männlicher Ausprägung — unverhofft aus den Büschen entlang der Trasse, biegt wieder auf den Fußweg ein und guckt dabei sehr betont so, als wäre nichts gewesen. Die Tröpfchen auf seinen Schuhen erzählen was anderes, aber mit den Toiletten an der Trasse ist es eben noch nicht so weit her.

Bleiben noch die Nordic Schneckenwalker, bei denen es sich in der Regel um "Best Ager" in "Worst Condition" handelt. Deshalb werden die skibestockten Wandersmänner und -frauen mit ihrer auch für eine Nordpol-Expedition tauglichen Funktionskleidung in der Regel auch von normalen Spaziergängern rechts überholt.

Am Donnerstag kam noch eine ganz besondere Spezies hinzu: die Vatertagsausflügler. Für die marodierenden Horden mit Bollerwagen und ebensolchem Benehmen ist die Trasse ideal, weil sie nach 300 Frühstückspils aus der mitgeführten Zapfanlage in den kühlen Tunneln die zweite Luft kriegen und daher auch nachmittags noch groß aufdrehen können.

Die sympathischen Kleingruppen mit deutschem Liedtunichtgut auf den Lippen waren aber nicht nur jederzeit für ein Kötzerchen an die Tunnelwand, sondern auch noch für was Vernünftiges gut: Bei ihrem Anblick wurden sämtliche Linus-Marvins von ihren Eltern an die Leine genommen. Und jede Menge Jan Ullrichs für Arme schalteten auf der Flucht nach vorn aufs große Ritzel und knackten endlich die magische 20-Stundenkilometer-Marke ...

Bis die Tage!

(Rundschau Verlagsgesellschaft)