Nach Toreschluss - die Wochenend-Satire Schmeit am Bahnhof
Als Wuppertaler kann man über dieses Theater mit der Sonnenfinsternis nur lachen. Wir sehen die Sonne ja an durchschnittlich 360 Tagen im Jahr sowieso nicht, da kommt es auf zwei Stunden mehr oder weniger nun wirklich nicht an.
Deshalb war ich auch sehr froh, am Donnerstag nach einem kurzen Abstecher nach Süddeutschland wieder in unseren Hauptbahnhof einzurollen. Wie nicht anders zu erwarten, hatte da unten auf der Schwäbischen Alb ununterbrochen die Sonne auf blasse bergische Haut runtergebrezelt, deren Träger zudem viel zu warm angezogen war für die dort vorherrschenden 23 Grad Celsius.
Fünf Grad auf Gleis 1 in Elberfeld mit dichter Bewölkung obendrüber und an die Umgebung angepasstem trüben Licht passen für Leute wie uns einfach besser. Einziges Problem war das Hüngerchen, das mich während der Bahnfahrt ereilt hatte. Um 14 Uhr ein in Deutschland durchaus verbreitetes Phänomen, dem landesweit gerne mit einem geeigneten Imbiss begegnet wird. "Mensch", dachte ich so bei mir, während die Bremsen des Zuges quietschten: "Junge, da ging doch neulich die gute Nachricht rum, dass es nach Einschaltung von 'Brot für die Wuppertaler Welt' und 'Misereor' jetzt wieder einen Verkaufswagen am Hauptbahnhof gibt."
Vor meinem geistigen Auge formten sich sofort Bilder einer rotwangigen Frau im weißen Kittel, die mir lächelnd eine pralle Bockwurst mit Brötchen anreicht. Vielleicht würde sie mir auch eine Frikadelle mit extra viel Senf machen. Oder so ein schönes frisches Baguette mit leckeren Sachen drauf. Schmatz! Herbert Grönemeyers Klassiker "Currywurst" summend stieg ich aus und scannte mit den hungrigen Äugelchen alles, was nach einer Verköstigungseinrichtung aussehen könnte, wie ich sie gerade beim Umsteigen in Köln noch zu Dutzenden mitten auf den Bahnsteigen geortet hatte.
Statt der rotwangigen Imbissfee begrüßte mich aber nur ein roheiserner Automat, an dessen Seitenfront sein Bestücker mit feiner Ironie die Werbebotschaft: "Frisch + Lecker - einfach genial!" aufgebracht hatte. Die Maschine offeriert unter diesem Motto Cola, Fanta, Sprite und andere kalorienarme Erfrischungsgetränke. Nur Wasser gibt es nicht, weil da wahrscheinlich nicht genug Zucker drin ist. Für Adipöse tatsächlich einfach genial ist das benachbarte Lebensmittelsortiment mit Haribo-Goldbären, Ritter Sport in der abseitigen Geschmacksrichtung Kaffee-Nuss und Apfelkuchen aus mit Obst versetzten Geschmacksverstärkern. Willkommen in Wuppertal!
"So nicht", dachte ich mir, und ging zum DB-Reisezentrum, das auf Gleis 1 in einer Art Containerdorf wohnt, wie wir es von den Notunterkünften aus Katastrophengebieten kennen. Das ist bezeichnend für die Lage am Hauptbahnhof, die ich im Gespräch mit der zuständigen Bahnauskunftskraft thematisierte: "Sagen Sie mal, da soll doch ein Verkaufswagen am Bahnhof sein. Wo ist der denn?" Antwort: "Der steht in der Straße hinter dem Bahnhof. Aber in der Woche nur bis halb zwei."
Ach so. Gut, ich könnte den Hunger natürlich auch auf morgen Vormittag verschieben und dann wiederkommen. Und irgendwie war ich ja auch ziemlich naiv, zu nachtschlafender Zeit um 14 Uhr am Hauptbahnhof einer deutschen Großstadt gastronomische Dienstleister im Arbeitseinsatz zu erwarten. Aber Schmeit hatte ich nun mal trotzdem.
In diesem Moment fiel mein Blick auf die Ankündigung der Fundsachenversteigerung, die in Kürze direkt an Gleis 1 beginnen würde. Die Rettung! Ich musste doch einfach nur einen der dort zum Aufruf kommenden verschlossenen Koffer samt unbekanntem Inhalt ersteigern und darauf hoffen, dass da vielleicht eine Dauerwurst drin ist, die die vorgeschriebene Lagerfrist der Fundsachen schadlos überstanden hat.
Catering kann so einfach sein... - wollte ich gerade schreiben, da geht plötzlich am Fenster neben mir der Nebel weg und die Sonne kommt raus. Aber nur, um sich direkt zu verfinstern. Das darf doch nicht wahr sein: Da scheint das Dingen mal bei uns — und dann macht jemand den Mond davor...
Bis die Tage!