Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Die neuen Freischwimmer
Als kleinen Beitrag zur beliebten Rubrik „Wir haben ja sonst keine Probleme“ hat die Stadt Göttingen neuerdings das Oben-Ohne-Schwimmen in ihren Bädern erlaubt und damit bundesweit erregte Diskussionen ausgelöst.
Die Intensität der Debatte legt nahe, dass manche Menschen das Ganze so verstanden haben, als wären Bikini-Oberteile in Schwimmbädern jetzt verboten. Ein kleiner Facebook-Beitrag von Radio Wuppertal dazu brachte mehr als 400 Kommentare. Der gute alte Begriff „Freischwimmer“ bekommt da eine ganz neue Dimension ...
Dabei stellt sich schwimmbadtechnisch aktuell eher eine ganz andere Frage. Es geht nämlich weniger darum, ob man oben ohne ins Wasser soll, sondern eher darum, ob man zusätzlich zur Badebuxe oder zum Bikini noch was drüber zieht. Denn weil Robert Habeck gesagt hat, dass wir Energie sparen sollen, hat die Stadt die Wassertemperatur in Wuppertals Schwimmbädern gesenkt. Und zwar um 0,4 Grad, was sich nicht viel anhört, aber für manchen Warmduscher ausweislich einiger Kommentare schon ein Nahtoderlebnis zu sein scheint. Nur im Bad am Uellendahl ist das Wasser um 1,5 Grad abgekühlt worden, um auf das Niveau der anderen zu kommen. Offensichtlich wurde das Becken hier früher als eine Art heiße Quelle betrieben ...
Härter trifft es die Besucher der städtischen Saunen in Wuppertal. Die werden jetzt um ganze fünf Grad runtergeregelt. Offenbar vertraut die Verwaltung darauf, dass die Saunagänger auch in der dann kühleren Luft schnell Schweißausbrüche kriegen, indem sie einfach an ihre private Heizkostenabrechnung denken.
Unabhängig davon hat die Sauna aber weiterhin den Vorteil, dass da jeder ohne Diskussion oben und unten ohne rein darf, was für Umsitzende nicht durchgängig ein Vergnügen, aber immerhin gerecht ist. Wobei ich das ganze Oben-Ohne-Baden-Thema ja im Vergleich zu einem anderen ohnehin ziemlich nachrangig finde: Wichtiger als die Frage, ob Menschen oben ohne Baden gehen, ist doch die, ob sie überhaupt schwimmen können.
Inzwischen kennen die meisten Kinder Seepferdchen ja nur noch aus dem Zoo und können von einem eigenen als Nachweis, im Wasser nicht binnen weniger Sekunden unterzugehen, nur träumen. Nach aktuellen Statistiken können 60 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen nicht sicher schwimmen. Wahrscheinlich müssen wir bei starkem Regen bald Rettungsschwimmer an größere Pfützen stellen, damit nichts passiert.
Ich persönlich habe ja noch im Bad an der Kleinen Flurstraße schwimmen gelernt. Aber da kann man bekanntlich heute nicht mehr ertrinken, sondern nur noch trinken. Viele andere Bäder sind auch für immer zu oder wegen Reparaturarbeiten oder Personalmangel geschlossen. Zu den verbleibenden fahren unsere Schüler so lange hin, dass sie im Wesentlichen nur lernen, sich umzuziehen, weil die verbleibende Wasserzeit noch knapper ist als das Geld in der Wuppertaler Stadtkasse.
Es ist höchste Zeit, da was dran zu ändern und dafür zu sorgen, dass Kinder in Zukunft als Erwachsene wieder sicher schwimmen können. Was sie dann später dabei anhaben, ist mir ziemlich egal. Absaufen ist jedenfalls mit oder ohne Oberteil keine Option.
Bis die Tage!