Kommentar zur neuen Bevölkerungsstatistik Wuppertal wächst wieder — und wie!
Wuppertal · Es war eine kleine — fast untergegangene — Meldung der SPD, die wir auf unserer Homepage am 5. Dezember 2016 gebracht haben: "Statistik nach oben korrigiert. Wuppertal: Bald 363.000 Einwohner" hieß es da.
Zurzeit gibt es (Stand 30. September 2016) 357.690 Menschen in Wuppertal. Schon von 2014 auf 2015 war die Stadt um etwa 5.000 Menschen gewachsen. Jetzt — von 2015, als es 350.046 Wuppertaler gab, auf 2016 — sind es wieder fast 7.700 mehr. Und weiter: "Die Statistiker gehen davon aus, dass in Wuppertal im Jahr 2020 etwa 363.000 Menschen leben."
Das klingt nach nichts Besonderem. Ist es aber. Jahrelang hat man uns eingebläut, haben wir uns selbst eingebläut: Wuppertal ist eine (aus-)sterbende Stadt, sie wird immer greisenhafter werden, bald gibt‘s nur noch Grauhaarige am Stock auf den Straßen. Die Keule "Demographischer Wandel" knüppelte alles nieder. Die Wirklichkeit ist dabei, das zu überholen.
Eine Prognose der Bertelsmann-Stiftung von 2006 sah Wuppertal 2020 bei 337.610 Menschen. Papier von vorgestern. Um so weit zurückzufallen, müssten in den kommenden drei Jahren über 20.000 Einwohner die Stadt verlassen. Da liegt einem der satirische Satz auf der Zunge: So schlimm, dass das passiert, ist ja selbst Wuppertal nicht…
Was ist der Wachstumsgrund? Klar — hauptsächlich die Zuwanderung. Die sorgt für mehr Menschen. Und dafür, dass Wuppertal deutlich jünger wird. Den Löwenanteil der Neu-Wuppertaler stellen Menschen aus der EU. Danach erst kommen die aus den Krisen- und Kriegsgebieten im Osten des Mittelmeeres und von noch weiter weg. Fast alle, die kommen, sind jung — oder jedenfalls klar jünger als der Durchschnittswuppertaler —, sie haben Familien dabei, sie haben Kinder.
Für die Stadt eine große Chance. Und eine große Herausforderung. Alles, was mit Kindergärten und (Grund-)Schulen zu tun hat, muss neu berechnet und neu gedacht werden. Schon jetzt ist es schwierig, einen Kita-Platz zu finden (auf den man einen Rechtsanspruch hat) — und das wird nicht leichter. Die Stadt reagiert bereits mit Neubauten, neuen Trägermodellen, neuen Ideen: Und kommt, so Sozialdezernent Stefan Kühn, mit dem Bauen nicht nach.
Dass die Hauptschule Wichlinghausen nach Langerfeld umziehen und ihr Stammgebäude zur Grundschule werden soll, steht in diesem Zusammenhang. Zurzeit geht's vor allem um die Bildungsversorgung für kleine Kinder. Aber die werden älter: Darum muss die Planung in Sachen weiterführende Schulen schon jetzt beginnen. Große Aufgaben…
Wuppertals Wachstum konzentriert sich im Osten der Stadt: Hier müssen Stadtplaner und Integrations-Aktive hinschauen. Etwas tun. Jetzt. Nicht mit Antragslyrik und nur weichgespülten Wir-haben-uns-alle lieb-Projekten, sondern mit echter Arbeit und echten Lösungsstrategien. Wuppertals Wachstum ist nicht von sich aus nur gut. Man muss es gestalten. Politisch und kulturell umsetzen zum Bild einer Stadt, die allen gehört.
Wachstum bringt viele Impulse: Städtische Gebühren können auf mehr Schultern verteilt werden. Deshalb sind sie schon jetzt nicht gestiegen. Sie könnten sogar in Zukunft sinken. Mehr Einwohner bringen mehr Schlüsselzuweisungen — sprich bares Geld vom Land. Mehr Einwohner sind mehr Kunden für den Handel. Wachstum bringt aber eventuell auch Ärger: Eines Tages wird der Wohnungsleerstand abgeschmolzen sein, und wenn bis dahin nichts Vernünftiges neu gebaut wurde, drohen Konkurrenzen auf dem Mietmarkt. Von der Bildung dessen, was man "Ghettos" nennt (eventuell in Oberbarmen, Wichlinghausen oder Heckinghausen) ganz zu schweigen. Siehe oben: Echte Stadtplaner und Integrations-Aktive sind jetzt (!) gefragt.
Ein Wort noch an die, die zurück möchten zur Zeit ohne Euro und ohne Zuwanderung: Ein sterbendes, vergreisendes Wuppertal mit schrumpfender Bevölkerung, Wohnungs- und Ladenleerständen ist keine Alternative, sondern eine Sackgasse.