Kommentar zur Lage der Großen Ratskooperation Wuppertal Was man in Berlin von Wuppertal lernen kann

Wuppertal · Ganz Deutschland regt sich auf, dass es seit jetzt 96 Tagen von einer geschäftsführenden Regierung gelenkt wird.

Rundschau-Redaktionsleiter Hendrik Walder.

Foto: Bettina Osswald

Für die Wuppertaler ist dies eigentlich seit vielen Jahren ein Dauerzustand. Denn Gesetze können Kommunen per se nicht beschließen und dank der städtischen Finanzkrise ist der Gestaltungsspielraum auf einem Bierdeckel abzubilden — ähnlich wie die Steuerreform eines früheren Bundespolitikers.

Das hat sich gerade erst bei den Beratungen zum Doppelhaushalt 2018/2019 gezeigt. Keine Frage: Die Zahlen hat der Kämmerer soweit im Griff, wie es überhaupt geht. Aber die politischen "Spielwiesen" bewegen sich im Promille-Bereich des 2,7-Milliarden-Werks. Man diskutiert über eine Erhöhung der Vergnügungssteuer von 20 auf 21 Prozent oder darüber, wie man die Hundesteuer besser kontrollieren will. Und warum? Weil man damit "Miniposten" wie 100.000 Euro für den Fahrradwegebau oder 25.000 Euro für die freie Kulturszene gegenfinanzieren kann.

Die wahre Musik spielt in Wuppertal schon lange bei den privaten Investitionen. Wer sieht, welche Summen Bayer, Barmenia und Vorwerk im Tal bewegen, der kann sich vorstellen, wie die Stadt ohne diese und zahllose kleinere Player dastehen würde. Und der weiß auch, in wie vielen Bereichen diese Unternehmen Aufgaben finanzieren, die normalerweise Sache der Stadt sind.. Das war wohl auch der Ausgangspunkt des bemerkenswerten Redebeitrags des CDU-Fraktionschefs Michael Müller bei der Etat-Debatte am Montag im Rat. Da klagte ein frustrierter Kommunalpolitiker über Wolkenkuckucksheime wie eine Seilbahn, für die man nicht einmal die Talstation besitzt, über BUGA-Pläne, bei denen die Stadt nicht einmal die Machbarkeitsstudie stemmen kann, über ein Tanzzentrum, dessen Betriebskosten in den Sternen stehen, über Turnhallen und Jugendzentren, auf die man seit Jahren warte und, und, und.

Zugegeben, er benutzte nicht den Ausdruck Wolkenkuckucksheim — aber er meinte ihn mit jenen Ankündigungen und Versprechungen, die man doch nicht halten könne und von denen man weg müsse. Hin zu machbaren Ergebnissen.

Ein ehrlich gemeinter Beitrag und doch zugleich einer, der mutlos wirkte und mutlos macht. Von einem der beiden "Macher" der großen SPD/CDUKooperation/Koalition, die seit 1999 im Wesentlichen die Geschicke und die Zukunft Wuppertals bestimmt — zumindest soweit es das Rathaus betrifft. Hat hier einer genug vom "weiter so" mit dem SPD-Partner oder resigniert hier jemand angesichts einer zugegebenermaßen nicht (schon gar nicht 21-prozentig) vergnügungssteuerpflichtigen Aufgabe?

Lange Ehen verlieren eben oft ihren Reiz — das sehen wir ja momentan in Berlin eindrucksvoll dokumentiert. "Groko" oder "Koko" — das zumindest kann man den Akteuren im Bund aus der Wuppertaler Warte mit in die Verhandlungen geben — sind nur spitzfindige Unterscheidungen. Wenn kein klar positioniertes Regierungslager zu bilden ist, sind wechselnde Mehrheiten die spannendere und zweckdienlichere Alternative. Und sie sind allemal effektiver als geschäftsführende Regierungen.