Kommentar über das Fiasko der Weihnachtsmarktorganisation Viele Hasen und ganz viel Pfeffer

Wuppertal · Stellt man sich ja eigentlich gar nicht so schwierig vor, so einen Weihnachtsmarkt zu organisieren. In Wuppertal scheint die Aufgabe jedoch ähnlich komplex wie Raketenwissenschaften, wenn man das Theater der vergangenen Wochen und Monate betrachtet.

Rundschau-Redakteurin Nicole Bolz.

Foto: Bettina Osswald

Sicher, Kritik am Weihnachtsmarkt — vor allem am Elberfelder — gibt es so lange wie den Markt selbst. Doch gerade als der Vertrag zwischen der IG1 und dem langjährigen Betreiber, der Veranstaltungsagentur Cultura, ausgelaufen war, ging schief, was nur schief gehen konnte. Und es ist (fast) unmöglich zu sagen, wo genau der Hase im Pfeffer liegt — angesichts der viele Hasen, die auf diesem Schlachtfeld herumvegetieren.

Vielleicht hat es damit angefangen, dass die IG1 im Herbst 2015 an einem neuen Konzept für den Elberfelder Weihnachtsmarkt getüftelt hat, ohne vorab ein Wort mit der Stadt — sie ist Vermieterin der Standflächen — zu sprechen. Und weil man sich zwischen den Vertragspartnern IG1 und Cultura — sagen wir mal vorsichtig — nicht mehr grün war, suchten sich die Einzelhändler eben eine neue Agentur, die ihre Wünsche umsetzen sollte. Klar, dass Hartmut Wilke, Geschäftsführender Gesellschafter von Cultura, das nicht kampflos hinnahm. Und ebenso klar, dass die Stadt dabei ein Wörtchen mitreden wollte.

In der Chronologie der Ereignisse befinden wir uns im Frühjahr 2016 und genau genommen gibt es mit der IG1, Cultura und einer Kölner Agentur mehrere Bewerber, die den Weihnachtsmarkt ausrichten wollen. Blöderweise ploppt genau zu dem Zeitpunkt ein neues EU-Vergaberecht auf, das besagt, dass die Stadt in einem solchen Fall ganz offiziell das Projekt ausschreiben muss — und zwar europaweit. Zack, erste Klatsche!

Und während noch darüber diskutiert wird, ob diese EU-Richtlinie denn nun wirklich bindend sei und ohne medialen Aufschlag nicht doch heimlich, still und leise hätte umgangen werden können, richtet man bei der Stadt eine Arbeitsgruppe ein, die Kriterien für eine solche Ausschreibung entwickeln soll. Im Frühsommer 2016 ist man noch optimistisch, dass dies für Weihnachten 2017 machbar ist ...

Der Optimismus schwindet nach der Sommerpause, als das Rechtsamt der Stadt davor warnt, dass eine mögliche Klage gegen die Vergabe der Stadt aufschiebende Wirkung haben könnte, sprich eine weitere Planung des Weihnachtsmarktes auf unbestimmte Zeit auf Eis legen kann. Zack, zweite Klatsche! Die Idee der Markt GmbH entsteht. In Martin Bang, Geschäftsführer von Wuppertal Marketing, findet sich einen potenzieller Geschäftsführer, der sich quasi nebenbei um ein hübsches und tragfähiges Konzept für Wuppertal kümmern soll. Bang definiert seine Aufgabe so, dass er selbst handeln und Waren einkaufen und auf dem Markt verkaufen kann.

Doch die Bezirksregierung als Genehmigungsbehörde macht den Wuppertaler Plänen einen Strich durch die Rechnung. Mit dieser Ausrichtung nicht genehmigungsfähig, heißt es aus Düsseldorf. Bang sieht die Voraussetzungen für sein Agieren nicht mehr gegeben und will das Amt nicht antreten. Zack, dritte Klatsche! Eine GmbH ohne Geschäftsführer und die Erlaubnis, selbst Waren zu verkaufen — handlungsunfähig.

Der letzte Strohhalm: Die bisherigen Betreiber sollen es in diesem Jahr noch einmal (aus)richten. Wieso das plötzlich möglich sein soll, obwohl man vor einem Jahr genau hier rechtliche Probleme witterte, ist völlig unerklärlich. Und nur eine von vielen Fragen, die bei diesem Thema unbeantwortet bleiben. Andere lauten: Wenn bekannt war, dass die Stadt keine Waren verkaufen darf, wieso sagt das niemand, bevor die Sache auf dem Tisch der Bezirksregierung landet und Monate mit einer Idee verplempert werden, die ins Leere führt? Und wenn die Markt GmbH nur deshalb nicht handlungsfähig ist, weil sie keinen Geschäftsführer hat, wieso übernimmt diese Aufgabe dann kein anderer als Martin Bang?

Über all dies ist es April 2017 geworden und obwohl man sich mit dem Thema seit anderthalb Jahren befasst, ist acht Monate vor Beginn der Weihnachtsmärkte völlig offen, ob es in diesem Jahr überhaupt welche geben wird. Die IG1 hat man auf dem Weg im wahrsten Sinne verloren — sie hat sich schließlich ganz offiziell von dem Thema zurückgezogen.

Gleichzeitig sind die Weihnachtsmärkte für den Einzelhandel enorm wichtig: Die Monate November und Dezember sind die umsatzstärksten des gesamten Jahres und die Weihnachtsmärkte locken die Käufer in die Innenstädte. Und sie sind die Voraussetzung für die verkaufsoffenen Sonntage im Dezember...

Gerade für die von der B 7-Sperrung, den unabsehbaren Folgen des geplanten FOC und den abgesagten verkaufsoffenen Sonntagen gebeutelten Elberfelder Einzelhändler ist dies ein ganz sensibles Thema. Sie fürchten nicht ausschließlich um die finanziellen Einbußen, sondern auch um das Image der Stadt. Sie fürchten, dass es einen Grund mehr gibt, dass die Wuppertaler sich von ihrer Stadt abwenden, sie lieber in die umliegenden Städte fahren und dort ihr Geld lassen. Und das mit Recht!

Und im Rathaus? Man kann Politik und Verwaltung nicht mal vorwerfen, sie hätten sich nicht gekümmert. Und doch gewinnt man aus dem Debakel den Eindruck, dass bei den regelmäßigen Gesprächsrunden nicht zielführend miteinander kommuniziert wurde. Es gibt Teilnehmer solcher Runden, die sagen, sie verlassen sie so schlau, wie sie sie begonnen haben. Es wird über alles mal gesprochen, aber oft ohne klaren Handlungsauftrag. Es mangelt an einer deutlichen Führung, die aus dem Meer der Möglichkeiten, Vorschriften und Verbote einen Weg definiert — und zur Not auch gegen Bedenkenträger und Zweifler durchsetzt. Das wäre umso wichtiger gewesen, da mancher Vertreter seine Energie offenbar lieber in die Bekämpfung des ungeliebten Beteiligungsdezernenten Paschalis (der wiederum selbst seinen Teil zur Misserfolgsstory beigetragen hat) als in die Suche nach einer Lösung für die Weihnachtsmärkte investiert hat. Es scheint, dass in dieser Geschichte alle alles falsch gemacht haben.

Eine blamable Vorstellung für Wuppertal und ein Lehrstück, wie Verwaltung 2017 nicht mehr "funktionieren" darf. Eine Stadt, die es in anderthalb Jahren nicht schafft, einen Weihnachtsmarkt zu organisieren, verspielt ihr Vertrauen.