Kommentar: Neue Polit-Kartenmischung SPD - allein im Regen
Wuppertal · In diesen Tagen weiß man gar nicht, wo man anfangen soll. Denn ehrlich gesagt, hat sich die fast 14-jährige GroKo-Lähmung auch ein Stück weit auf mich als Journalisten ausgewirkt. Und plötzlich ist (fast) alles anders.
Für die Seilbahn-Bürgerbefragung haben sich CDU, Grüne, Linke, FDP und die soeben neu formierten Freien Wähler (die aus Alternative für Wuppertal und dem Großteil der WfW entstanden sind) zusammengetan. Die SPD, die keine Bürgerbefragung will, steht im Regen. Im Verkehrsausschuss fliegt der SPD ein Antrag nach dem anderen um die Ohren: CDU und Grüne votieren verlässlich gemeinsam — und finden die notwendigen zusätzlichen Stimmen.
Höhepunkt dann am Montag im Rat: Die Quasi-Teilentmachtung der beiden SPD-Dezernenten Frank Meyer und Stefan Kühn sowie auch von SPD-Oberbürgermeister Andreas Mucke ging durch. Haarscharf zwar, aber passiert ist es doch. Im Gegenzug hatte es einen gemeinsamen Antrag von SPD, Linken (bisher absolut unvorstellbar!) sowie FDP und den beiden WfW-Damen gegeben: Um die Machtfülle von Stadtdirektor Slawig zu kürzen, die Stutzung der SPD-Dezernenten zugunsten des zukünftigen Dezernenten Nr. 5 zu verhindern — und überhaupt den Zuschnitt aller Dezernate von einer externen Kommunalberatungsgesellschaft übernehmen zu lassen. Abstimmungsergebnis: Abgelehnt.
Von der überraschenden Bekanntgabe der OB-Kandidatur des geschassten Rechts- und Bürgerbeteiligungsdezernenten Panagiotis Paschalis (Ex-SPD) gar nicht zu reden. Viele lächeln, ja lachen darüber, wieder andere sehen den Rechtsanwalt durchaus als wählbare Alternative. Oder fragen sich: Paschalis als Don Quijote? Ich bin gespannt auf den Wahlkampf. Dem Vernehmen nach befürchtet man im Rathaus, er werde schmutzig. Blöde Frage meinerseits: Wer hat denn mit der kampagnenartigen Schmutz-Werferei angefangen? Schwamm drüber — im Herbst nächsten Jahres wissen wir mehr. Nicht vergessen: Wahlen werden nicht von Politikern entschieden, sondern von Wählern.
Eine ganz wichtige Frage: Was wird bis dahin aus der Wuppertaler SPD geworden sein? Als "Verlassene" der GroKo hat die Partei, die einst Wuppertals jahrzehntelanges Flaggschiff war, offenbar ihre Orientierung verloren. Marc Schulz von den Grünen sagt, die SPD habe "ihre Rolle noch nicht richtig gefunden". Das stimmt — und ist noch sehr dezent ausgedrückt. Fest steht: Die althergebrachten Verfahren und Verfahrensweisen laufen (jedenfalls zurzeit) mit schlafwandlerischer Sicherheit ins Leere.
Die SPD muss höllisch aufpassen, dass sie beim munteren Mischen aller möglichen neuen Polit-Kartenkombinationen nicht als einsames Mauerblümchen übrigbleibt.
Mein Gefühl: Es ist Zeit für einen echten SPD-Generationswechsel. Und zwar einen, der nicht nur ein Feigenblatt wäre.