Entwidmung der Philippuskirche Vom Zelt zum Haus der Begegnung

Wuppertal · Aus der Philippuskirche mit ihrem Zeltdach wird ein Wohnprojekt für Menschen mit Behinderung und aus dem nahegelegenen Gemeindezentrum ein barrierefreies Haus der Begegnung: Entwidmung und Wiedereröffnung stehen bei der Gemeinde Uellendahl-Ostersbaum ganz in Zeichen der Inklusion.

Die Philippuskirche und das Gemeindezentrum.

Die Philippuskirche und das Gemeindezentrum.

Foto: Sabine Damaschke

Als die Philippuskirche 1969 im Wuppertaler Neubaugebiet Uellendahl eingeweiht wurde, kannte kaum jemand den Begriff der Inklusion. Aber schon damals war klar: Hier sollten nicht nur hörende, sondern auch gehörlose Menschen eine geistliche Heimat finden. Mit ihren 120 Sitzplätzen war die in Fertigbauweise errichtete, hölzerne Kirche mit ihrem markanten Zeltdach schnell zu klein, so dass 1980 ein Anbau, dann auch ein Pfarrhaus hinzukam.

Schon damals wurde Barrierefreiheit großgeschrieben. Die Kirche und der Anbau waren mit schlichten, blendfreien Wänden und später eingebauten Schallschutzdecken auf die Bedürfnisse der Gehörlosengemeinde ausgerichtet und das Gelände für gehbehinderte Menschen ohne Treppen gestaltet.

Begegnung ermöglichen, Vorurteile abbauen

„Lange, bevor es das Bundesteilhabegesetz gab, wurden bei uns die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Menschen mit und ohne Beeinträchtigung sich begegnen und Vorurteile abbauen können“, sagt Karin Weber. Seit 39 Jahren ist sie Pfarrerin der Gehörlosengemeinde, deren etwa 200 Mitglieder aus den Kirchenkreisen Wuppertal, Niederberg und Düsseldorf-Mettmann kommen.

Mit der anderen Hälfte ihrer Pfarrstelle betreut sie in der Gemeinde Uellendahl-Ostersbaum den Bezirk um die Philippuskirche. Deren benachbartes Gemeindezentrum hat sich zum größten Veranstaltungsort im Stadtteil entwickelt, in dem viel Begegnung stattfindet, das aber nur für gehbehinderte Menschen barrierefrei war.

 Karin Weber ist seit 39 Jahren Pfarrerin der Gehörlosengemeinde, die sich in der Philippuskirche trifft.

Karin Weber ist seit 39 Jahren Pfarrerin der Gehörlosengemeinde, die sich in der Philippuskirche trifft.

Foto: Sabine Damaschke

Inklusion braucht inklusive Häuser

„Wir möchten eine Gemeinde sein, die Inklusion lebt, aber dafür müssen auch die baulichen Voraussetzungen stimmen, sonst schließen wir Menschen aus“, betont Karin Weber. Keine leichte Aufgabe in Zeiten, in denen die Mitglieder weniger und die finanziellen Möglichkeiten enger werden.

Nach mehreren Jahren interner Beratungen entschloss sich die Gemeinde, die Philippuskirche samt Anbau und Pfarrhaus zu verkaufen und dafür ihr Zentrum am Röttgen zu einem modernen, komplett barrierefreien Haus für die gehörlose und hörende Gemeinde umzubauen.

Investition in die Zukunft

Das Grundstück um die Philippuskirche hat die „IONA Lebensgemeinschaft für Menschen mit Behinderungen e.V.“ erworben, um dort betreute Wohnformen für Menschen mit Behinderung zu schaffen. Nach der Entwidmung der Philippuskirche am 15. September wird es spätestens bis zum Jahresende an IONA übergeben.

 Zehn Monate dauerte der Umbau, für den sich Karin Weber und Architekt Stefan Hinz sehr engagiert haben.

Zehn Monate dauerte der Umbau, für den sich Karin Weber und Architekt Stefan Hinz sehr engagiert haben.

Foto: Sabine Damaschke

Eine Woche später, am 22. September, eröffnet die Gemeinde ihr inklusives Zentrum am Röttgen mit schatten- und blendfreier Beleuchtung, Akustikdecken, Induktionsschleife und moderner Medientechnik. Barrierefreiheit für alle Menschen in mobiler, optischer und akustischer Hinsicht ist dort nun vorhanden. Rund 850.000 Euro hat der Umbau gekostet.

Eine Investition in die Zukunft, von der ein gesamter Stadtteil profitiert, ist Karin Weber überzeugt. „In unserem Gemeindezentrum finden nicht nur unsere Gottesdienste, Gruppen, Gemeindefeste, Basare und Theateraufführungen statt, es wird auch gerne für andere Veranstaltungen des Stadtteils genutzt – von der Bezirksvertretung bis zum Blutspendetermin.“

„Riesenschritt in die richtige Richtung“

Die Pfarrerin wünscht sich noch viel mehr inklusive Zentren für Wuppertal und sieht ihre Gemeinde als praktisches Beispiel für andere Bauten. „Es ist ein Riesenschritt in die richtige Richtung“, sagt sie. „Aber noch kein Abschluss. Wir haben einen guten Grund für Inklusion gelegt, auf dem sie weiterentwickelt und zu einer Selbstverständlichkeit werden kann. Denn das ist sie noch lange nicht.“

Wie eine ganze Stadt aussehen könnte, wenn Inklusion selbstverständlich ist, dürfen sich schon vor der Eröffnung des Zentrums die Kinder überlegen. Sie bauen dort eine Legostadt, die sie am 22. September präsentieren.