Es war einmal Ein Heim für verlassene Kinder und Frauen
Wuppertal · Nachdem die Stadt das Altenheim an der Oberen Lichtenplatzer Straße abreißen ließ, wurde ein moderner Neubau geplant. Durch Gesetzesänderungen und Baukostensteigerungen wuchsen die Kosten stark. Jetzt soll (die Rundschau berichtete) aus dem Areal Bauland für gehobenen Wohnungsbau mit attraktiver Aussicht auf die Stadt werden. Das leergeräumte Gebiet westlich der denkmalgeschützten Schüllerallee hat eine traditionsreiche Geschichte: Die Historikerin Dr. Ursula Rennhoff hat sie recherchiert.
Nachdem die Familie Fischer, nach der die Straße Fischertal benannt ist, die dortigen Parzellen 1872 an den 1864 gegründeten Barmer Verschönerungsverein verkauft hatte, erwarb die Stadt Barmen 1876 Teile davon für den Bau einer Anstalt für verlassene Kinder, die laut Adressbuch schon 1889 bestand und die Hausnummer 125 hatte. Erster Vorsitzender und Gründer des Barmer Verschönerungsvereins war im Jahr 1864 Wilhelm Werlé, nach dem in Heckinghausen eine bekannte Straße heißt. Die Anstalt für verlassene Kinder wurde wahrscheinlich nach dem Zweiten Weltkrieg zum Lehrlingsheim.
Oberhalb des Kinderheims wurde 1906 vom 1899 gegründeten Evangelisch-kirchlichen Hilfsverein das (Kaiserin-)Auguste-Viktoria-Heim eröffnet. In vielen Städten entstanden Heime dieser Art. So auch in Barmen. Im Adressbuch von 1942 verzeichnet, fiel das Haus (Nummer 131) beim „Barmer Angriff“ am 30. Mai 1943 den Bomben zum Opfer.
Über diese Nacht berichtete die Oberin Gertrud Volkenborn: „Eineinhalb Stunden dauerte der Angriff, der an Heftigkeit wohl alles bisherige überbot. Keine Flak hielt die Angreifer zurück und ungehindert konnten sie Spreng- und Brandbomben und Feuer auf die unglückliche Stadt werfen. Kaum vermochten wir nach dem Alarm in den Keller zu gelangen. Da brannte schon der Dachstuhl, fielen Bomben, Kanister in großer Zahl. Im Luftschutzkeller waren wir zu 37 Menschen: keiner konnte mehr nach oben. Wir waren ständig bedroht, durch brennende Balken und Holzteile. Dazu kam die Erstickungsgefahr durch die ungeheure Rauchentwicklung. Drei Kranke sind sofort in ihrem Bett umgekommen und drei konnten nicht mehr aus dem Luftschutzkeller herauskommen, da der Rauch sie bewusstlos gemacht hatte und es uns an männlicher Hilfe zum Hinaustragen fehlte. Das Mutterhaus selbst ist total vernichtet und wir konnten nicht einmal unsere Koffer aus dem Luftschutzkeller retten.“
Die Frauenhilfevereine waren weniger ein Element der Erneuerung oder Frauenemanzipation, sondern sie unterstützten das konservativ-erhaltende Klima in den Kirchengemeinden.
1967 wurde das zweigeschossige Lehrlingsheim in ein Altenpflegeheim umgewandelt. 1972 kam ein dreigeschossiger Bau hinzu - mit einem Verbindungsgang zum unteren Haus. Die Bettenzahl wurde auf 107 erweitert. 1990 fand eine Spezialisierung statt, im Hinblick auf die Betreuung geronto-psychiatrisch veränderter Bewohner. Verbunden damit wurden auf jeder Station Bewohnerzimmer in Aufenthaltsbereiche umgewandelt und damit die Bettenzahl auf 94 reduziert. Vor dem Abriss, bei dem noch die Fundamente des ersten Gebäudes zu Tage kamen, zogen die Bewohner in Räume der Landesfrauenklinik an der Vogelsangstraße um, wo sie sich offensichtlich wohl fühlen.
Was bringt die Zukunft?
Für eine Wohnnutzung muss der große Höhenunterschied überwunden werden, was für eine terrassenartige Gestaltung sprechen könnte. Hinter und westlich des Grundstückes befinden sich Waldflächen des Barmer Verschönerungsvereins, die dem Landschaftsschutz unterliegen. Es ist leicht erkennbar, dass Wilhelm Werlé damals das Grundstück aus den Barmer Anlagen herausgeschnitten hat - wohl ausdrücklich zum Nutzen des Kinderheimes, nicht als allgemeines Wohngebiet.