Geschichten, die wir gerne geschrieben hätten (6) WC-Solar-Decathlon löst Problem Nr. 1
Wuppertal · In der Rundschau-Ausgabe vom 28. Dezember 2024 haben wir Artikel veröffentlicht, die wir 2024 sehr gerne verfasst hätten, wenn nicht alles ganz anders gekommen wäre. Begeben Sie sich mit uns auf eine Gute-Laune-Reise durch die jüngste Wuppertaler Stadtgeschichte, die so leider gar nicht stattgefunden hat, zum Jahresabschluss aber hoffentlich trotzdem für ein bisschen heitere Silvester-Stimmung sorgt. Und wer weiß: Vielleicht wird die eine oder andere erfundene Story 2025 ja doch noch Wirklichkeit. Hier die sechste.
Ein heißes Wuppertaler Eisen, das bisher kein Oberbürgermeister und keine wie auch immer geartete kommunale Parteien-Konstellation erfolgreich schmieden konnte, ist die Versorgung der Innenstädte mit öffentlichen Toiletten-Anlagen. Jetzt zeichnet sich dank einer Initiative von Bergischer Universität, Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing eine Lösung ab.
Nur noch ältere Wuppertalerinnen und Wuppertaler können sich an die seit gefühlten Ewigkeiten geschlossene öffentliche WC-Anlage unter dem Neumarkt erinnern. Aus der Barmer City ist eine vergleichbare Konstruktion gar nicht bekannt – und auch anderswo in Wuppertal sind frei zugängliche Anlaufstellen für dringende Geschäfte dünn gesät.
Die Liste der gescheiterten Versuche, hier problemorientiert aktiv zu werden, ist lang. Niemandem in der Stadtverwaltung, an der Stadtspitze oder in den Bezirksvertretungen ist es bisher gelungen, diesen drängenden Wuppertaler Gordischen Knoten zu durchschlagen.
Dank einer Initiative der Bergischen Universität wird sich das nun aber ändern: Hatte die Uni es schon in den Jahren 2021 und 2022 geschafft, den europaweiten Nachwuchs-Architekturwettbewerb „Solar Decathlon Europe“ nach Wuppertal zu holen, haben die Fachbereiche Architektur und Public Interest jetzt gemeinsam einen Coup gelandet, der auch über die Stadt hinaus Signalwirkung hat. Im Sommer findet auf dem großen Freigelände zwischen Utopiastadt und Alter Glaserei am Mirker Bahnhof der weltweit erste „WC-Solar-Decathlon“ statt. Studierende aus Architektur, Bauingenieurwesen, Haus- und Umwelttechnik sowie Design werden dann 22 verschiedene zukunftsorientierte sowie vor allem mobile und platzsparende WC-Anlagen präsentieren, die an ganz unterschiedlichen Stellen der Stadt aufstellbar sind.
Die Energieversorgung der im hippen Fachjargon „Tiny (= winzig) Häuschen“ genannten Bau-Konstruktionen erfolgt über Solarpaneele auf den Dächern, in die auch kleine, aber sehr effektive Windräder integriert werden können. Im Innern finden sich die üblichen Einrichtungen, deren Wasserversorgung durch ein Miniatur-Biokläranlagen-System über etwa sechs Monate aus sich selbst heraus sichergestellt wird. Erst nach Ablauf dieser Zeit ist das Nachfüllen von Frischwasser erforderlich.
Durch diese Energie- und Technik-Features sind die zukünftigen City-WCs unabhängige „Selbstversorger“. Zeitraubende und teure Bodenaufriss-Arbeiten oder das Verlegen von Leitungen entfallen.
Professor Dr.-Ing. Wolf C. Lokusa, der an der Bergischen Uni lehrt und das Projekt „WC-Solar-Decathlon“ koordiniert: „Die Technik der Studierenden-Entwürfe wird überall gleich funktionieren, das Äußere der Anlagen sich dagegen ganz individuell unterscheiden – und das jeweilige City-Umfeld aufnehmen sowie neu interpretieren.“
Für die Finanzierung all dessen konnten die Wuppertaler Wirtschaftsförderung und Wuppertal Marketing als „Doppelspitzen-Aktion“ ein breit aufgestelltes Konsortium aus den bekannten WC-Papierherstellern Hakle, Zewa, Sanft & Sicher, Tempo und Ja gewinnen. Der wie gewohnt optimistische Stadtmarketing-Leiter Martin Bang zur Rundschau: „Darum muss es natürlich auch Firmen-Werbung auf den ‚Tiny Häuschen’ geben, aber unsere Innenstädte können den einen oder anderen Farbtupfer sicher gut vertragen.“
Fest steht jetzt schon: Mindestens acht der Studierenden-Entwürfe, die ab dem 14. Juni 2025 vier Wochen lang auf dem „WC-Solar-Decathlon“-Gelände auch öffentlich zu sehen sind, werden in Wuppertal aufgestellt. Welche, das entscheidet sich im Rahmen eines Jury-Verfahrens, dessen Ergebnisse Ende Juli publik gemacht werden.
Und wie schon beim „Solar Decathlon Europe“, wo ausgewählte Bauformen auch heute noch unter dem Motto „Living Lab NRW“ bei Utopiastadt an der Trasse zu sehen und zu begehen sind, wird auch der „WC-Solar-Decathlon“ nicht etwa spurlos verschwinden. Professor Wolf C. Lokusa: „Es ist geplant, ein für alle Menschen offenes Real-Labor für selbstversorgende und selbstentsorgende City-WCs zu installieren. Damit wollen wir auch andere Städte, denen der Schuh drückt, auf das Thema ‚Tiny Häuschen‘ aufmerksam machen.“