Landgericht Wuppertal Messerangriff am WDG: Das Urteil ist gefallen

Wuppertal · Im Februar hatte ein Schüler am Dörpfeld-Gymnasium vier Mitschüler mit einem Messer verletzt. Die 1. Jugendkammer des Landgerichts verurteilte den 17-Jährigen nun wegen dreifachen versuchten Mordes und gefährlicher Körperverletzung zu zwei Jahren und zehn Monaten Haft.

Großer Polizei- und Ambulanz-Einsatz am 22. Februar im und um das Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium.

Großer Polizei- und Ambulanz-Einsatz am 22. Februar im und um das Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasium.

Foto: Christoph Petersen

Er soll sich zur Tatzeit „in einer Ausnahmesituation“ befunden haben, gilt als vermindert schuldfähig. Ein mildes Urteil angesichts dessen, was ihm die Anklage vorwarf: Der Angeklagte soll mit dem Klappmesser ausgeholt und den Opfern teils Verletzungen am Nacken zugefügt haben. Wegen des Jugendstrafrechtes hatte die Kammer unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt.

Zu den Beweggründen für den gewalttätigen Übergriff in einer Pausenhalle der Schule hatte es bereits im Vorfeld des Prozesses etliche Spekulationen gegeben. So hatte sich der Vater des Jungen gegenüber dem „Focus“ dahingehend geäußert, dass sein Sohn aus nichtigem Anlass verspottet worden sein soll. Hinzu komme, so der Vater, dass die Familie in ihrem „Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat schwer verletzt“ worden sei, nachdem sein Onkel, Ali P., vor Jahren von Mitgliedern der sogenannten „Gucci-Gang“ fast zu Tode geprügelt worden sei – die Rundschau hatte darüber mehrfach berichtet.

Sein Sohn sei ein ängstlicher Junge und habe seelisch sehr darunter gelitten, was seinem Großonkel widerfahren sei. Er habe ihm daher erlaubt, das Klappmesser mitzunehmen, um sich notfalls schützen zu können.

Warum er damit später seine Klassenkameraden verletzt hat? Vom Verteidiger des 17-Jährigen, Mustafa Kaplan, war dazu zu hören: „Es war ein einmaliger, sehr kurzer Ausraster meines Mandanten.“ Der Oberstufenschüler sei Jahrgangsbester gewesen, er habe zur Tatzeit unter Druck gestanden, sich auch selbst Druck gemacht und sich keine Freizeit mehr gegönnt. Am Tattag sei dann noch „ein kleiner Streit“ mit seinen Mitschülern dazugekommen. Das sei alles zu viel gewesen „für einen 17-Jährigen, der nicht fertig gewesen ist mit seiner Persönlichkeit“.

Das solle alles keine Entschuldigung sein, so Kaplan – und es sei auch immer klar gewesen, dass sein Mandant die Verantwortung für das übernehme, was geschehen sei.

Nach jenem Ausraster in der Pausenhalle hatte sich der Angeklagte mit dem Messer selbst so schwer verletzt, das er wochenlang im Krankenhaus behandelt werden musste. Noch in der Pausenhalle habe er einen Lehrer, der ihn beruhigt habe, darum gebeten, „ihn zu umarmen und zu trösten“, so Kaplan.

Auf das vermeintliche Bekennerschreiben angesprochen, das sein Mandant verfasst haben soll, sagt Mustafa Kaplan: „Es gibt kein Bekennerschreiben“. Es gebe aber ein Schreiben, das sein Mandant noch vor der Tat verfasst habe – in dem Versuch, sich zu beruhigen. Es sei wütend gewesen, er habe „wirres Zeug geschrieben“, die psychiatrische Gutachterin habe es als Versuch gedeutet, die Kontrolle über sich selbst zurückzuerlangen.

Für seinen Mandanten, so Mustafa Kaplan, stehe nun an erster Stelle, sich einer ambulanten Psychotherapie zu unterziehen, um sicherzustellen, „dass er zukünftig mit Konflikten – auch mit inneren Konflikten – anders umgehen wird“.

Der Haftbefehl gegen den 17-Jährigen wurde aufgehoben, nach sieben Monaten in Untersuchungshaft konnte er das Jugendgefängnis bis zum Haftantritt verlassen. Bei seinen Mitschülern hatte er sich bereits vor dem Prozess entschuldigt, einige hatten einem Täter-Opfer-Ausgleich zugestimmt.

Dass der Oberstufenschüler nicht mehr an seine alte Schule zurückkehren kann, hat die Schulleitung des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums bereits verlauten lassen.