Jubiläum der Diakonie 100 Jahre, aber aktueller denn je

Wuppertal · Im August feiert die Diakonie Wuppertal ihr 100-jähriges Bestehen. Was ist das Besondere an der diakonischen Tradition in Wuppertal und auf welche Herausforderungen müssen soziale Träger heute reagieren? Ein Interview mit Cornelia-Maria Schott, Dr. Sabine Federmann und Thomas Bartsch.

Von li.: Cornelia-Maria Schott, Dr. Sabine Federmann und Thomas Bartsch.

Von li.: Cornelia-Maria Schott, Dr. Sabine Federmann und Thomas Bartsch.

Foto: Daniel Edlauer / Diakonie Wuppertal

100 Jahre Diakonie Wuppertal: Was macht unsere Diakonie aus?

Bartsch: „Eigentlich fängt die Geschichte der Diakonie Wuppertal und damit die Sorge um schutzbedürftige Menschen in den Gemeinden ja viel früher an. Und darauf können wir stolz sein: Diakonisches Engagement von Gemeinden oder Einzelpersonen in Wuppertal (damals noch Barmen und Elberfeld) gab es schon vorher, wie zum Beispiel die Geschichte vom heutigen Reformierten Gemeindestift Elberfeld zeigt, das bereits 1677 als Armenhaus am Mäuerchen von der Reformierten Gemeinde gegründet wurde. Auch die Tradition des Kinderheims an der Nesselstraße und des Elberfelder Erziehungsvereins liegt viel weiter zurück. Aber „erst“ seit 100 Jahren ist die verfasste Kirche organisatorisch mit im Boot.“

Federmann: „Die lange diakonische Tradition vor Ort ist kein Zufall. Elberfeld und Barmen waren urprotestantische Städte. Und die Region Wuppertal war außerdem ein frühes Zentrum der Industrialisierung. So gab es auf der einen Seite viele große Stifterpersönlichkeiten, auf der anderen Seite entstanden in den Arbeitervierteln auch soziale Brennpunkte mit Armut und Hunger. Da war diakonische Hilfe dringend nötig.“

Schott: „Und weil die Ursprünge der diakonischen Fürsorge so unterschiedlich und vielfältig waren, sind wir bis heute eine sehr bunte und breit aufgestellte Diakonie mit vielen unterschiedlichen Arbeitsbereichen und Wirkungsstätten.“

Was ist denn das Besondere an dieser vielfältigen Diakonie?

Bartsch: „Wir können in fast jeder Lebenssituation Hilfe für die Menschen in unserer Stadt anbieten: Von der Schwangerschaftskonfliktberatung und den Frühen Hilfen bis zur Altenhilfe. Unsere Angebote spannen sich wie ein Hilfe-Netz über Wuppertal.“

Federmann: „Und als Teil der Kirche machen wir das stellvertretend für alle Menschen im Kirchenkreis und tragen damit die christlichen Werte in den Alltag und in die Stadt hinein: Für alle sichtbar und spürbar.

Schott: „Unsere Arbeit funktioniert nur gemeinsam und indem wir uns immer wieder flexibel und zielgerichtet auf die Gegebenheiten einstellen. Damit haben wir die Möglichkeit, schnell und bedarfsorientiert zu unterstützen.“

Hohe Preise und wachsende Armut auf der einen Seite. Und auf der anderen Seite Unterfinanzierung der Kitas und steigende Lohnkosten: Die Herausforderungen für die sozialen Träger sind groß. Ist die Diakonie dieser Situation gewachsen?

Bartsch: „Für uns als Diakonie hat sich eigentlich nichts verändert. Unsere Aufgabe ist es immer, auf Notlagen zu reagieren. Das war schon in der Grundphase der Wohlfahrtspflege so: Es ging darum, eine soziale Struktur aufzubauen, die den Menschen hilft. Darum sind die Herausforderungen heute für uns im Grunde so ähnlich, wie die in der Gründerzeit.“

Federmann: „Es ist auch unsere politische Aufgabe, Missstände und Bedarfslagen aufzuzeigen. Wir gehen voran und ringen um Ressourcen, um die notwendige Hilfe möglich zu machen. Dabei können wir auf viele Menschen setzen, die die Probleme lösen wollen und sich mit uns einsetzen. Und wir können auch auf die Hilfe unseres Kirchenkreises zählen, der uns finanziell unterstützt wie beispielsweise bei der Flüchtlingshilfe oder bei der Finanzierung der zusätzlichen Ausbildung von Erzieherinnen und Erzieher.“

Bartsch: „Unsere fröhliche Botschaft dabei lautet: Wir machen immer weiter. Wir verzweifeln nicht an der Tatsache, dass wir nie ausreichend mit Ressourcen ausgestattet sind. Im Unterschied zu gewerblichen Sozialunternehmen geben wir als gemeinnützige Gesellschaft alles weiter, was wir bekommen. Wir hören nicht auf, weil unsere Arbeit sich nicht rechnet. Das kann durchaus auch eine Kraftquelle für die Mitarbeitenden sein. Für mich persönlich ist das zumindest sehr motivierend.“

Vor allem für den Bereich Altenhilfe und Kindertagesstätten ist der Fachkräftemangel aber doch ein großes Problem …

Schott: „Das stimmt. Wir ringen um Ressourcen und um Fachkräfte. Aber die Diakonie Wuppertal ist enorm leistungsfähig. Unsere große Stärke sind die Mitarbeitenden, die in schwierigen Zeiten bis zur Höchstbelastung arbeiten. Dafür sind wir allen sehr dankbar. Gleichzeitig entwickeln wir immer wiederneue Ideen und denken voraus, um neue Mitarbeitende zu gewinnen und das bestehende Personal zu halten.

Ein Beispiel dafür ist unsere moderne Diakonie Akademie als Herzstück für eine zukunftsgerichtete Aus- und Fortbildung. Wir gehen neue Wege und setzen uns für alternative Arbeitszeiten und –bedingungen ein. Beispielsweise bieten wir spezielle Mütterdienste an. Auch sind wir dankbar, dass es viele Menschen in Wuppertal gibt, die ihr soziales Engagement bei uns im Ehrenamt einbringen.“

Was wünschen Sie der Diakonie für die Zukunft?

Schott: „Ich wünsche mir viele junge Menschen mit neuen Ideen und kreativen Denkweisen, die sich in unsere Diakonie einbringen. Neue Impulse im Zusammenspiel mit dem Know-how und der Erfahrung der langjährigen Mitarbeitenden – so können wir in Wuppertal vieles bewegen.“

Bartsch: „Ich wünsche mir vor allem eine stabile und auskömmliche Finanzierung, damit wir unseren Auftrag erfüllen können. Und mehr Wertschätzung von der Politik für die Partner, die schon lange auf dem sozialen Markt unterwegs sind. Das wird manchmal als Selbstverständlichkeit angesehen und nicht mit ausreichend Wertschätzung gewürdigt.“

Warum arbeiten Sie gerne bei der Diakonie?

Federmann: „Für mich ist es eine sinnvolle Tätigkeit, bei der ich meinen christlichen Glauben leben kann. Es bereitet mir Freude zu sehen, dass wir Menschen dabei helfen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen und dabei mit vielen Menschen gemeinsam unterwegs sind.“

Schott: „Für mich ist die Diakonie ein Ort der Solidarität und der Hilfsbereitschaft. Wir leisten alle gemeinsam einen Beitrag dazu, anderen Menschen zu helfen und zu unterstützen. Denn allein und ohne Vernetzung funktioniert unsere Arbeit nicht. Es ist schön, Teil dieser Gemeinschaft zu sein und zusammen Herausforderungen und Krisen zu bewältigen.“

Bartsch: „Ich habe das Gefühl, dass wir innerhalb der Diakonie nicht nur ein Rädchen im Getriebe sind, sondern dass wir durch unser Handeln individuell etwas bewegen können. Außerdem werden wir immer wieder mit neuen Aufgaben konfrontiert und müssen dafür neue Lösungen entwickeln.“

Schott: „Ja. Das kann gerade für junge Menschen reizvoll sein. Sie haben bei uns viele Möglichkeiten, die Diakonie der Zukunft mitzugestalten. Auch das macht Freude.“
Federmann: „Wir freuen uns, auch in Zukunft für Menschen in Wuppertal da sein zu können, aktiv und aus christlicher Überzeugung die Stadt mitzugestalten. Es macht einfach Spaß, dabei mitzumachen.“