Interview: Ioannis Stergiopoulos zur Flüchtlingslage in Idomeni „Eine Schande für Europa“
Wuppertal · Zwischen 12.000 und 15.000 Flüchtlinge sitzen seit Wochen in dem kleinen griechischen Ort Idomeni an der (geschlossenen) mazedonischen Grenze unter katastrophalen Lebensbedingungen fest. Rundschau-Redakteur Stefan Seitz sprach mit dem deutsch-griechischen Wuppertaler SPD-Ratsmitglied Ioannis Stergiopoulos.
Sie sind Grieche, Deutscher, Europäer. Was empfinden Sie angesichts der Bilder aus Idomeni?
Es ist ein Schande für Europa, dass es keine Lösung für diese unwürdige Situation gibt. Hier werden 15.000 Menschen einfach ihrem Elend überlassen. Man könnte jetzt auch fragen, was denn der griechische Staat tut. Aber der kann offenbar auch nicht so, wie er will. Griechenland steckt ja immer noch tief in der Krise. Das ist völlig in Vergessenheit geraten. Einen Lichtblick sehe ich aber: Die Bevölkerung in und um Idomeni hilft den Menschen so gut es irgendwie geht.
Kennen Sie den Ort Idomeni selbst?
Wie viele deutsche Urlauber auch kenne ich Idomeni vor allem als die frühere Grenzstation, wenn man aus Ex-Jugoslawien über den Autoput nach Griechenland fuhr. In den früheren 80er Jahren ist mein Vater dort einmal in den Ort hinein abgebogen. Idomeni ist ein ganz kleines Dorf. Man kann sich gar nicht vorstellen, dass dort jetzt so etwas passiert.
Sie sind Kommunalpolitiker. Was kann man selbst für die Flüchtlingshilfe tun?
Man kann nur dort helfen, wo man steht. Ich unterstütze zum Beispiel zwei Syrer, von denen einer wegen seiner Lebens- und Arbeitsgeschichte fließend griechisch spricht. Ich helfe bei Behördengängen, offiziellen Telefonaten, beim Briefeschreiben, bei Sparkassenbesuchen. Wer mit Flüchtlingen spricht, sie kennenlernt, sich ihnen nicht verschließt, begreift schnell, was diese Menschen alles erlebt haben. Keiner verlässt seine Heimat nur aus wirtschaftlichen Gründen. Fußmärsche von 30 Tagen und mehr sind eine echte Tortur. Hinter jeder Flucht steht eine echte Lebens- und Leidensgeschichte.
"Draußen" Idomeni, "drinnen" die Erfolge der flüchtlingsfeindlichen und rechtsgerichteten AfD. Wie empfinden Sie die aktuelle Stimmungslage?
Nach dem Zweiten Weltkrieg hat Deutschland etwa zwölf Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Dagegen steht die heutige Zahl von einer Million. Was ich überhaupt nicht verstehen kann, ist die abweisende Haltung der Länder, die bis vor wenigen Jahrzehnten hinter dem Eisernen Vorhang eingesperrt waren. Wenn man das angebliche Problem der Flüchtlinge so lösen will, wie es zurzeit in Idomeni geschieht, so dass also jetzt weniger Menschen nach Mitteleuropa kommen, dann kann ich nur sagen: Das war und ist nicht Sinn und Zweck der Europäischen Union. Es ist eine schwierige Zeit für Flüchtlinge. Und der europäische Gedanke hat sehr gelitten.