Die Brüder Çagri und Çagdas Ermis Der Boxer und der Tänzer

Wuppertal · Die Wuppertaler Brüder Çagri und Çagdas Ermis haben Lebensträume verwirklicht, die unterschiedlicher nicht sein könnten: Der eine steht als Profi im Boxring, der andere ist Mitglied des Pina-Bausch-Ensembles.

Bruder-Treffen im Heckinghauser Box-Gym: Çagri Ermis (links) mit seinem zwei Jahre jüngeren Bruder Çagdas.

Foto: André Duhme

Das neue Wuppertaler Frühlings-TOP Magazin porträtiert sie.

Kraftvoll: Çagri Ermis (li.).

Foto: Klaus Frevert

Ein Trainingsraum in Heckinghausen. Der Ring im Mittelpunkt, Gewichte und Hanteln, Alltag für den Berufsboxer Çagri Ermis. Eher ein ungewohnter Ort für seinen Bruder Çagdas, dem die Lichtburg oder das Opernhaus vertrauter sind. Denn während Çagri für den Sieg die Fäuste fliegen lässt, gehört Çagdas zum Ensemble des Tanztheaters Pina Bausch.

Die Kampfsport-Karriere des amtierenden IBF-Berufsbox-Europameisters Çagri Ermis verlief nicht so gradlinig wie seine präzise rechte Führhand. "Ich würde heute einiges anders machen", so der 32-jährige Berufssportler. Großes Geld hat er (noch) nicht verdient. Immerhin war er nah dran: So folgte er einer Einladung von Emanuel Steward, dem Trainer von Wladimir Klitschko, nach New Jersey.

Ausdrucksstark: Çagdas Ermis.

Foto: Karl-Heinz Krauskopf

Der zwei Jahre jüngere Bruder Cagdas denkt an früher: "Du hast mich auf dem Spielplatz oft verteidigt, als ich von den Größeren gehänselt und auch wegen unserer türkischen Abstammung beleidigt wurde." Damals wohnte Familie Ermis Wand an Wand zur Lichtburg: "In der Nacht hörten wir die Musik, wenn Pina dort mit ihrem Ensemble probte", erinnert sich Çagdas. 1973 gründete Pina Bausch ihr Tanztheater, im selben Jahr kam Familie Ermis nach Deutschland. Çagri und Çagdas wurden in Wuppertal geboren. Die heute 71-jährige Mutter Yüksel zog ihre vier Kinder alleine auf, früh mussten die Jungen selbstständig werden.

Die Brüder hatten Glück, im Kindergarten kümmerte sich eine Erzieherin intensiv um die beiden. Sie erkannte die Begabung von Çagdas, sorgte dafür, dass er auf eine Waldorfschule kam. Tanz, Theater und Musik, das wurde die Welt von Çagdas, den Çagri schmunzelnd für "einen kleinen Spinner" hält.

Zusammen mit Mutter Yüksel hat Çagdas sich einen Kampf seines Bruders angesehen, direkt am Ring: "Für uns war es schlimm, diese Gewalt zu sehen." Aber: "Wir arbeiten beide mit unseren Körpern, auch Çagri ist sehr leichtfüßig, er tanzt im Ring." Und Çagri hat für Çagdas den Weg in die Oper gefunden: "Ich habe eine Vorstellung von 'Kontakthof‘ angeschaut und erkannt, dass es etwas ganz Besonderes ist, was Çagdas macht, ich war tief beeindruckt."