Bergische Uni Stephan Orth - der schreibende Weltenbummler

Wuppertal · Ein Rucksack, ein Schlafsack und ein Zelt sind die wichtigsten Requisiten, die ein Weltenbummler braucht, um an den unterschiedlichsten Orten zurechtzukommen. Stephan Orth ist so ein Reisender, dessen Ziele jedoch alles andere als alltäglich sind, denn er bereist damit Länder wie China, Russland, den Iran oder Saudi-Arabien. Über diese Reisen schreibt der 41-Jährige mittlerweile Bücher, die die Bestsellerlisten erobert haben. Auf seinem Weg dahin hat er einige Jahre in Wuppertal Station gemacht und ein geisteswissenschaftliches Studium absolviert.

Stephan Orth.

Foto: Christoph Jorda

„Meine Eltern hatten schon immer ein Haus mit sehr vollen Bücherregalen, haben beide immer sehr viel gelesen und das hat mich sicher geprägt“, sagt Orth zu Beginn des Gesprächs.

Sein erstes Buch hat er schon mit sechs Jahren verfasst und erzählt: „Das hieß ,Die zehn Soldaten‘, war auf DIN A4 ausgedruckt nachher sogar zehn Seiten lang. Eine völlig irre Geschichte über Soldaten in China, die gegen Drachen kämpfen und Verbrecher auf teilweise sehr rabiate Art töten.“ Dieses Werk warte noch immer auf seine Veröffentlichung, erklärt er schmunzelnd. Danach ruhten seine Schreibversuche mehrere Jahre und Orth beschäftigte sich, wie viele Jugendliche, mit den Herausforderungen der neuen Technologien. „Ich hatte mit zwölf dann einen Amiga 500 (Computer) bekommen, mit dem ich auch sehr viel Zeit verbracht habe. Aber die Bücher habe ich nie verlassen und mit Anfang 20 fing das dann wieder an.“

Orth kommt an die Bergische Universität und macht dort den Magister mit Hauptfach Anglistik/Amerikanistik und den Nebenfächern Psychologie und Wirtschaft. „Ich habe dann für einige Medien auch in Wuppertal geschrieben. Für die Coolibri zum Beispiel. Und bei der Westdeutschen Zeitung habe ich ein Praktikum gemacht.“ Nach erfolgreichem Studienabschluss sucht Orth nach zusätzlicher Praxiserfahrung und entschließt sich zu einem Master of Journalism, den er drei Semester in Brisbane, Australien, dranhängt. „Ich wollte auf dem Arbeitsmarkt eindeutiger auftreten und habe dort mehr Praxisorientierung erfahren.“ Der positive Nebeneffekt dabei: Seine Reiselust ging da erst richtig los.

„Ich habe dann in den Semesterferien eine dreimonatige Reise mit dem Rucksack nach Neuseeland, Fidschi, zu den Cookinseln und durch Australien unternommen. Ich war viel allein unterwegs“, berichtet er, „und habe gemerkt, wie toll das sein kann, auch alleine zu reisen.“ Die Aufzeichnungen dieser Reise waren somit der Startschuss zu dem, was Orth heute erfolgreich macht: Reisebücher der etwas anderen Art.

Couchsurfing – Reiseberichte über besondere Begegnungen

Vier Bücher mit dem Titel „Couchsurfing“, in denen er Länder vorstellt, die man nicht so einfach bereisen kann, stehen heute auf den Bestsellerlisten. „Mir geht es darum, Länder mit einem schlechten Ruf zu bereisen und dann in den Alltag einzusteigen und zu sehen, wie leben dort die ganz normalen Menschen“, erklärt er. Ihn beschäftigen dabei Fragen wie: „Wie kommt man in einer Diktatur zum Beispiel zurecht? Was bewegt die Menschen? Was sind die Unterschiede und Gemeinsamkeiten, auch im Vergleich exotischer Länder zu unserem eigenen Land?“ Oft kommt Orth zu der Erkenntnis, dass die Menschen viel mehr gemeinsam haben als gedacht, und solche Begegnungen machten die Bücher besonders interessant. Dabei verschweigt er auch nicht, dass es auf diesen Reisen immer wieder einmal auch beängstigende und heikle Situationen gebe, die eine unerwünschte Recherche erschwere, was ihn aber nicht daran hindere, diesen Weg weiterzugehen.

Eine neue Surfcouch in Saudi-Arabien

Sein neustes Buch beschäftigt sich mit Saudi-Arabien, einem Land zwischen Reichtum, Fortschritt und einem umstrittenen Rechtssystem, dass Orth mit den Worten untertitelt: Meine Reise durch ein Land zwischen Mittelalter und Zukunft. „Ich fand es sehr interessant, dort wirklich Neuland im Jahre 2020 erleben zu können“, erklärt er, „also in ein Land zu reisen, wo Tourismus bisher quasi kaum existierte.“ Erst seit Ende 2019 gebe es Visa für Individualreisende. Vorher konnten nur Pilger oder Gastarbeiter ins Land einreisen. „Es war sehr interessant, einer der Ersten zu sein, obwohl es ja ein sehr hoch entwickeltes Land ist. Leute haben die neuesten Smartphones und hochmoderne Fahrzeuge, mit denen sie durch die Gegend fahren.“ Im totalen Gegensatz zu dieser zukunftsorientierten Bevölkerung stehe jedoch ein extrem konservativer Islam, der das ganze Leben bestimme. Vermischt mit einer überlieferten Beduinentradition gehöre Saudi-Arabien sicher noch zu einem der konservativsten Länder der Erde, erklärt Orth, „mit einer extremen Geschlechtertrennung und einem Rechtssystem, wo noch Menschen in der Öffentlichkeit enthauptet werden“.

Orth bereitet sich auf diese Reisen lange vor. Er versucht die jeweilige Sprache zu lernen und besucht Sprachkurse, denn zumindest Begrüßungs- oder Dankesformeln sind in vielen Ländern unabdingbar, um mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Er nutzt zusätzliche Übersetzungsprogramme und natürlich auch die Sprachgewandtheit seiner ortsansässigen Gastgeberinnen und Gastgeber, die als Übersetzerinnen und Übersetzer aushelfen.

„Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt“

Viele Studierende träumen davon, ihre Bücher einmal zu verlegen. „In meinem Fall fing das mit meiner Tätigkeit bei Spiegel Online an“, erzählt Orth, wo er acht Jahre als Redakteur im Reiseressort arbeitete. „Da habe ich schon die ersten Buchprojekte verwirklicht. Ein Buch mit dem Titel ,Sorry, wir haben die Landebahn verfehlt‘ war ein Buch über lustige Sprüche aus dem Flugzeug, gesammelt von den „Spiegel Online“-Lesern. Das wurde dann gleich ein Bestseller in Zusammenarbeit mit dem Spiegel-Verlag, der dann auch den Kontakt zu dem Buchverlag hergestellt hat.“ Das war der Einstieg. „Ich würde einem Newcomer tatsächlich empfehlen, eher zu versuchen eine Agentur zu finden, also einen Literaturagenten oder -Agentin, bei dem oder der man mit seinem Exposé überzeugt“, rät er. „Die haben gute Kontakte zu den Verlagen.“

Wo Orth, dessen Bücher mittlerweile in zehn Sprachen übersetzt sind, demnächst sein Zelt aufstellt, kann er noch gar nicht sagen. Die Corona-Situation mit ihren Reisebeschränkungen erschwert die Planungen. Aber eines ist sicher, verrät er zum Schluss: „Ich kann nur sagen, dass es kein Buch über die Toskana oder Mallorca werden wird. Da bleibe ich mir schon treu.“