Projekt Bergische Uni: Besser Lernen ohne Smartphone?
Wuppertal · „Es ist ein Experiment“, sagt Dr. Johannes Grebe-Ellis, Professor für Physik und ihre Didaktik an der Bergischen Universität Wuppertal. Sie erläutert, was ihn dazu gebracht hat, eines seiner Fachdidaktik-Seminare zur smartphonefreien Zone zu erklären.
In seinen Physikvorlesungen störe es ihn nicht, wenn Hunderte von Smartphones auf den Tischen liegen. „Hier sehe ich den Kampf um die Aufmerksamkeit der Studierenden sportlich.“ Mit entsprechenden Apps werden Smartphones sogar zu brauchbaren Messgeräten, mit denen man Beschleunigungen, Magnetfelder, den Luftdruck oder das Frequenzspektrum der eigenen Stimme vermessen kann. Zum Problem werden die Geräte nach Grebe-Ellis in Veranstaltungen, die kleiner sind und deren Qualität maßgeblich von der aktiven Beteiligung der Studierenden abhängt.
Im Seminar „Fachdidaktische Vertiefung Physik“ stellen sich Lehramtsstudierende in einer Art Forschungswerkstatt gegenseitig selbst erarbeitete Forschungsminiaturen zu physikalischen Phänomenen vor, diskutieren diese und erhalten von ihren Kommilitoninnen und Kommilitonen Feedback zu ihren Ergebnissen und ihrer Darstellung. „Das Seminar“, so Grebe-Ellis, „lebt von gegenseitiger Anteilnahme und der Bereitschaft, sich einzubringen: aktiv zuzuhören, mitzudenken, nachzufragen, sich an Diskussionen zu beteiligen und gegenseitig Rückmeldungen zu geben. Je mehr das gelingt, umso mehr können Studierende an fachlichem und fachdidaktischem Input sowie an methodischem Training für sich herausholen.“
Die Beobachtung der vergangenen Jahre habe gezeigt, dass dieses Ziel umso schwerer zu erreichen sei, je mehr Smartphones im Raum auf den Tischen liegen und je häufiger Studierende ihre Aufmerksamkeit vom Seminargeschehen abziehen und ihrem Smartphone zuwenden. „Das sehen Studierende übrigens selbst so“, berichtet Grebe-Ellis, „spätestens wenn sie erlebt haben, dass ein Drittel der Teilnehmenden mit seinen Geräten beschäftigt ist, während sie vorne stehen und ihre Arbeitsergebnisse präsentieren wollen.“
Nach vielen Diskussionen und mehrjährigem Experimentieren mit verschiedenen Varianten hat Prof. Grebe-Ellis sich dazu entschlossen, die Handytaschen des amerikanischen Start-ups „Yondr“ zu nutzen und eine Regel im Seminar einzuführen: Während der Seminarzeit sind alle Smartphones im Raum ausgeschaltet und befinden sich in den dafür vorgesehenen Handytaschen. Wer sein Gerät benutzen möchte, verlässt dazu den Raum. Ausgenommen von dieser Regel sind Smartphones, die im Rahmen experimenteller Demonstrationen als Messgeräte zum Einsatz kommen.
Wie funktioniert das praktisch? Beim Betreten des Seminarraums greifen sich die Studierenden aus einer Box an der Tür eine Handytasche. Bei Seminarbeginn schalten alle die Geräte aus, stecken sie in die Taschen und verschließen diese. Der Verschluss beruht auf einer magnetischen Verriegelung. Diese kann nur mithilfe einer speziellen Entriegelung geöffnet werden. Zwei dieser Entriegelungsstationen befinden sich an den Türen. Beim Verlassen des Raumes entriegelt jeder seine Handytasche, entnimmt sein Gerät und legt die Tasche in die Box zurück.
Und was sagen die Studierenden dazu? Die Reaktionen, die mittels eines Fragebogens erhoben wurden, sind überwiegend positiv. „Ich finde das Projekt eine sehr coole Idee, da man sich selber testen kann. Ich bin gespannt, wie ich selber reagiere und wie ich mich verhalte. Mich interessiert auch, wie sich die handyfreie Zone auf den Kurs und das Miteinander auswirkt“, so ein Kursteilnehmer.
Auf die Frage, ob sie glauben, dass die Qualität des Seminars durch den Verzicht auf Smartphones verbessert werden kann, antworten 40 Prozent von 55 Befragten mit „ja“, 49 Prozent mit „eher ja“ und 11 Prozent mit „eher nein“. Wie sie die Frage nach ihren Erfahrungen im Verlauf des Projekts beurteilen, und welche Empfehlungen sie in ähnlichen Situationen selbst geben würden, soll eine zweite Befragung nach Abschluss des Seminars zeigen.