Wuppertaler Landgericht Auch in Wuppertal Verfahren gegen ehemaligen KZ-Wachmann?
Wuppertal / Hamburg · Das Urteil des Landgerichts Hamburg gegen einen heute 93-jährigen ehemaligen Wachmann des Konzentrationslagers Stutthof bei Danzig machte vorige Woche bundesweit Schlagzeilen. In Wuppertal könnte es demnächst zu einem ähnlichen Prozess kommen.
Noch ist aber nicht klar, ob es dieses Verfahren am Landgericht geben wird. Der Beschuldigte: ein 95-jähriger Wuppertaler, auch er soll Wachmann im KZ Stutthof gewesen sein. Die Ermittlungen gegen ihn laufen bei der Staatsanwaltschaft Dortmund – und dort bei der Zentralstelle für die „Bearbeitung Nationalsozialistischer Massenverbrechen“.
Dem 95-Jährigen wird Beihilfe zum Mord in mehreren hundert Fällen vorgeworfen. Die Anklage gegen ihn war zunächst beim Landgericht Münster erhoben worden, in einem gemeinsamen Verfahren mit dem dort ebenfalls angeklagten Johann R (95). Auch ihm wurde vorgeworfen, am Massenmord im KZ Stutthof beteiligt zu gewesen sein. Kurz nach Prozessbeginn im Dezember 2018 hatte das Gericht das Verfahren gegen Johann R. wegen dessen schwerer Herz- und Nierenerkrankung ausgesetzt. Schon damals war klar, dass es wegen der Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten kein Urteil mehr geben würde. Das Verfahren gegen den 95-Jährigen aus Wuppertal wurde hingegen abgetrennt und an das hiesige Landgericht verwiesen.
Eine Entscheidung darüber, ob und wann das Hauptverfahren gegen ihn eröffnet werden kann, steht noch aus. Zuvor soll der Beschuldigte auf seine Verhandlungsfähigkeit von einem psychiatrischen Sachverständigen untersucht werden. Inmitten von Corona-Zeiten gilt so etwas derzeit als schwieriges Unterfangen. „Das ist natürlich ein bedeutendes Verfahren von großem Interesse“, ist dazu von Gerichtssprecher Arnim Kolat zu hören. Eine Prognose darüber, wann mit einer Entscheidung in dieser Sache gerechnet werden darf, kann er dennoch nicht abgeben.
Erst vor einer Woche war der Stutthof-Prozess am Landgericht Hamburg zu Ende gegangen. Auch der dort angeklagte Bruno D. soll während seiner Zeit im KZ bei Danzig seinen Dienst auf den Wachtürmen versehen haben. Da der mittlerweile 93-Jährige zur Tatzeit erst 17 Jahre als war, wurde der Prozess nach Jugendstrafrecht geführt. Vier ehemalige Gefangene waren nach Hamburg gekommen, um im Gerichtssaal als Zeugen gehört zu werden. Sie hatten von Misshandlungen, Hinrichtungen, Hunger und einer Fleckfieber-Epidemie berichtet. Einer der Holocaust-Überlebenden soll davon berichtet haben, dass ein Sohn erschossen worden sein soll, nachdem er zuvor von SS-Offizieren dazu gezwungen worden war, seinen Vater mit einem Stuhlbein zu erschlagen.
Die Vertreter der 40 Nebenkläger – darunter 35 Überlebende des KZ Stutthoff – hatten eine Verurteilung des Angeklagten gefordert. Einige der Nebenkläger sollen jedoch ausdrücklich den Wunsch geäußert haben, dass man den 93-Jährigen nicht inhaftieren solle. Das Gericht verhängte gegen den früheren SS-Mann wegen Beihilfe zum Mord an 5.230 Menschen zwei Jahre Haft auf Bewährung.
Dass es zu solchen Anklagen kommt, ist auf den 2011 geführten Prozess gegen John Demjanjuk zurückzuführen. Im Fall des früheren Wachmanns im Vernichtungslager Sobibor hatte der Jurist Thomas Walther darauf hingearbeitet, den juristischen Tatbestand der Beihilfe zum Mord auch auf Wachleute anzuwenden, weil sie den Massenmord unterstützt hätten. Demjanjuk war zu fünf Jahren Haft verurteilt worden – der 91-Jährige starb, bevor das Urteil rechtskräftig werden konnte. Nach dem Prozess gegen ihn hatten die Ermittler damit begonnen, nach anderen noch lebenden ehemaligen Wachleuten zu suchen – und wurden auch in Wuppertal fündig.