Leserbrief „Tarife sind unverhältnismäßig“
Betr.: ÖPNV-Preise für Familien
Sollen wir es uns heute leisten, mit dem Zug zu fahren? Diese Frage stelle ich mir immer wieder, und ich finde, dass sie die Unverhältnismäßigkeit der Tarife für Familien verdeutlicht.
Ich hoffe, dass der VRR, die WSW und die Stadtverwaltung mit der Entwicklung des Deutschlandtickets die bisherigen Tickets und deren Abos überarbeiten und endlich attraktiv für Familien machen wird.
Ich würde gerne mit meinen Kindern häufiger in die Innenstadt fahren. Die Hin- und Rückfahrt kosten aber 12,15 Euro (Vierer- Tickets berechnet) für einen Erwachsenen mit zwei Kindern. Die Parkkosten belaufen sich jedoch nur auf zwei bis vier Euro, und es ist zumeist etwas bequemer, das Auto zu nutzen.
Auf die Frage nach einem Familienticket habe ich schon häufiger „das attraktive Ticket 2000“ empfohlen bekommen, denn damit könne man Kinder ab 19 Uhr umsonst mitnehmen. Das kann ja wohl nicht ernst gemeint sein, denn dann sind die meisten Kinder im Bett – und nicht beim Arzt oder Logopäden, beim Sportkurs, in der Eisdiele oder auf der Suche nach Kleidung oder Schulmaterialien.
Tatsächlich interessant an dem Ticket ist, dass Ticketinhaber ihre Familie am Wochenende mitnehmen dürfen. Wirklich hilfreich ist auch die Übertragbarkeit des Tickets, sodass größere Kinder schon mal alleine einen Weg machen können.
Ein aktuelles „Ticket 2000“ lohnt sich erst bei täglicher Nutzung und kostet immerhin 90,90 Euro für eine Person. Bald muss ein kinderloses Paar nur zehn Euro mehr zahlen, um in ganz Deutschland jeden Tag unabhängig und gleichzeitig fahren zu können. Daher sollte es nun ein neues Familienticket geben: Ein modifiziertes „Ticket 2000“ könnte für Familien mit Kindern also eine gute Alternative zum Deutschland-Ticket werden. Flexibler, aber dafür in der Region bleibend.
Die App WSW-Ticket bietet übrigens nicht mal Kindertickets an – auf Nachfrage soll das auch nicht kommen, denn nur das Gängige werde angeboten. Das spricht für sich!
Diese gängigen Ticketpreise möchten oder können sich selbst solide verdienende Familien nicht leisten, vor allem wenn ein Auto verfügbar ist.
Gerade Familien können und müssen ihren Kindern aber die absolut notwendige Änderung des gesamtgesellschaftlichen mobilen Verhaltens beibringen. In der gelebten Praxis. Familien kaufen viel ein, sie bilden eine gute Käufergruppe, deren Geld auch wegen der hohen Fahrtkosten einfach an Amazon und diverse andere Onlineshops „verloren“ geht, denn dieses Kaufen ist einfach und fordert kaum Wegzeit und -kosten.
Wuppertals Innenstädte würden gewinnen, wenn sich Familien dort aufhalten würden. Alleine wegen des heutigen Kaufverhaltens müssen die Innenstädte Wuppertals in Zukunft zu einem Freizeitraum werden, der eben günstig erreicht werden sollte.
Abschließend noch ein Beispiel: Letzte Woche wollten wir mit Zug und Rad ins nahe gelegene Neandertal fahren: zwei Erwachsene (je 6,40 Euro), drei Kindertickets (je 1,80 Euro) und fünf Fahrradtickets (3,80 Euro) – 37,20 Euro pro Weg! Oder doch das „SchönerTagTicketNRW“ – „(…) einen Tag lang mit öffentlichen Nahverkehrsmitteln durch ganz NRW – kaum zu glauben: für gerade mal 47,90 Euro“– allerdings ohne Fahrradtickets. Also: Wollen wir es uns leisten?
Christiane Von Kuczkowski
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