Oper Wuppertal Heiße Hexe im Haribo-Haus
Wuppertal · Das hat schon was von Familien-Weihnachtsstück: Mit Engelbert Humperdincks Märchenoper „Hänsel und Gretel“ kommt ein Erfolg von 2006 zauberhaft zurück ins Opernhaus.
Ex-Intendant Johannes Weigand hat seine Inszenierung von damals wieder neu einstudiert – und damit dem Wuppertaler Publikum eine große Freude gemacht. Das spätromantische Erfolgswerk von Engelbert Humperdinck aus dem Jahr 1893 kommt im zeitgemäßen, aber keineswegs überkandidelten Gewand daher. Und wird vom Sinfonieorchester unter der Leitung von Johannes Witt zärtlich-zart instrumentiert, sodass sich ein wohlig-warmes Klanggewand ergibt, das für zwei Stunden und 15 Minuten (mit einer Pause) einfach die Zeit vergessen lässt.
Vergessen lässt Humperdincks Eigen-Version übrigens auch manches Detail, das man im Grimmschen „Hänsel und Gretel“-Original vielleicht abschreckend finden kann: Beispielsweise werden die Kinder von ihren Eltern nicht ausgesetzt, sondern verirren sich bei der Erdbeersuche im Wald. Dort sind sie nicht allein, sondern werden vom Sandmännchen und 14 Engeln in Latzhosen und Flip-Flops in den Schlag gewiegt und bewacht.
Dazu passt der Erfolgstext „Abends will ich schlafen gehn, 14 Englein um mich stehn...“, den Humperdincks Schwester Adelheid – wie das gesamte Libretto – geschrieben hat. Dass auch noch die Lieder „Brüderchen, komm tanz mit mir“ und „Ein Männlein steht im Walde“ zu dieser Oper gehören, hat viel mit ihrem seinerzeitigen Erfolg zu tun. Und funktioniert noch heute ganz genauso.
Das Wuppertaler Ensemble „funktioniert“ ebenfalls bestens. Elena Fink (in der Premiere) ist als gefühlvolle Mutter mit ihrem schönen Sopran mal wieder „in town“, Oliver Weidinger singt einen starken Vater – beide sind auf der Suche nach ihren Kindern sogar in den Zuschauerreihen unterwegs. Das Geschwisterpaar geben Edith Grossman als Hänsel in Latzhose und roten Converse-Chucks sowie Margaux de Valensart als Gretel: Wer beide aus „Alcina“ kennt, staunt über die mimisch-gestische und stimmliche Wandelbarkeit. Zwei sich gern Käbbelnde und Gernhabende sind sie – immer hungrig, immer neugierig, aber auch klug. Sie harmonieren wunderbar.
Der große Star dieser Inszenierung aber – und da ließ auch das „Applausometer“ am Schluss keinen Zweifel – ist Merlin Wagner als Knusperhexe: Ob im 60er Jahre Kostüm plus Hütchen oder mit Kittel, Reitbesen und zu Berge stehendem Haar: Dieses „verrückte Huhn“ mit kraftvoller Stimme und köstlich hämischem Lachen hat zwar bitterböse Absichten – am Ende aber doch keine Chance gegen Gretel (vor allem) und Hänsel.
Apropos Ende: Da wird alles, alles wieder gut. Die Geschwister erwecken die von der Hexe in der Vergangenheit schon zu Lebkuchen verbackenen anderen Kinder wieder zum Leben. Drei Kinderchöre geben sich dazu auf der mit ganz einfachen Mitteln anheimelnd gemachten Bühne (Markus Pysall, dem ein Sonderapplaus für sein gigantisches Haribo-Hexenhaus gebührt) ein Stelldichein. Klangvoller Schluss für eine versöhnliche, (spät-)romantische Märchengeschichte. Und auch die Hexe löst sich nicht etwa in Rauch auf: Als Keks mit Kopf, Armen und Beinen ist sie wieder da. Aber komplett harmlos geworden.
Glückwunsch zu diesem erfolgreichen, familientauglichen Humperdinck-Geschenk. Passend dazu ist der Schluss-Jubel für Johannes Weigand nicht von schlechten Eltern.