"Kinder der Sonne" im Theater am Engelsgarten Wenn das Äußere ins Innere hineinbricht
Wuppertal · In einer stimmigen Inszenierung von Helene Vogel hatte Maxim Gorkijs Drama "Kinder der Sonne" im Theater am Engelsgarten Premiere. Der Autor thematisiert darin das Scheitern der russischen Intellektuellen in vorrevolutionären Zeiten.
Wissenschaftler, Tierarzt, Immobilienhai, Künstler, deren Gattinnen und Schwestern — sie sind die Privilegierten einer Gesellschaft, in der das Proletariat kurz vor dem Aufstand steht. Und vor eben dieser Bedrohung haben sich die Intellektuellen abgeschottet, leben in einem gläsernen Kasten, der sich dreht (Bühnen: Philip Rübner), so immer wieder neue Einblicke in das Geschehen bietet.
Im Inneren des Glasbunkers befassen sich die handelnden Personen mit sich selbst und ihren Befindlichkeiten. Da ist der zerstreute Wissenschaftler Pawel (Alexander Peiler), der seine kapriziöse Gattin Jelena (Tinka Fürst) vernachlässigt, die sich derweil mit dem trotteligen Künstler Dimitrij (Lukas Mundas) vergnügt.
Tierarzt Boris (Stefan Walz) versteckt seine Gefühle hinter Zynismus, liebt Pawels kranke Schwester Lisa (Philippine Pachel), die sensibel und verletzbar als Einzige den Zustand der Gesellschaft reflektiert, den geschundenen Menschen helfen will. Melanija (Julia Reznik), die Schwester von Boris, betet Pawel bedingungslos an, während der neureiche Nasar (Miko Greza) nach Geld giert.
Dazu gesellen sich als Gastschauspieler Amme Antonowna (Lilay Huser, schlecht zu verstehen), Dienstmädchen Fima (Ann-Kristin Lutz) sowie als Vertreter der Außenwelt der Schlosser Jegor (Marina Christopher Reinharts), der seine Frau schlägt, den Glasbunker durch eine Lichtschranke betreten muss.
Helene Vogel legt den Schwerpunkt ihrer Inszenierung weniger auf die politischen Verhältnisse, sondern arbeitet einfühlsam die einzelnen Charaktere der handelnden Figuren heraus, die es schaffen, die Realität perfekt zu verdrängen. Damit gibt sie dem Ensembles die Möglichkeit, erneut seine hohe darstellerische Qualität unter Beweis zu stellen, sehr facettenreich zu spielen. So gibt es viele berührende, aber auch aufwühlende Momente, werden die Figuren plastisch, ihr Handeln erkennbar, ohne in Klischees abzugleiten.
Dazu legt Vogel einen dramatischen Spannungsbogen an, der seinen Höhepunkt im Eindringen der Außenwelt ins Glashaus und dem Selbstmord von Boris findet. Für Lisa ist der Schutzbunker nach dem Verlust ihrer Liebe überflüssig geworden, sie flieht im symbolträchtigen roten Kleid nach draußen. Am Ende fehlt ihr die Kraft. Jelena ist es, die sich um Jegors Frau kümmert.
Eine sehenswerte Inszenierung und zugleich der Abschied von Regisseurin Helene Vogel von ihrem Wuppertaler Publikum.