Theater der Generationen Alice im Wunderland: Verwirrt, verwandelt, verzaubert
Wuppertal · Wuppertals „Theater der Generationen“ sind Schauspielbegeisterte von 13 bis 84. Jetzt hat die facettenreiche Gruppe im Engelsgarten mit ihrer Version von „Alice im Wunderland“ die Herzen erobert.
Längst ist Lewis Carrolls Buch von 1865 ein Klassiker der Weltliteratur. Und nicht nur ein Kinderbuch. Fürs „Theater der Generationen“ hat sich Regisseurin Charlotte Arndt den Text über die kleine Alice, die auf unerklärliche Weise in einer seltsamen Zwischenwelt verschwindet, vorgenommen – und geschickt für unsere Gegenwart adaptiert.
Die 15-jährige Heldin, in deren Rolle Hannah Stamborski eine beachtliche Leistung abliefert, steht unter dem Druck einer (Erwachsenen-)Welt voller Erwartungen. Aber dann: Alice trifft ein weißes Kaninchen, folgt ihm – und „erwacht“ in einem rätselhaft-märchenhaften Irgendwo. Da vergeht die Zeit nicht beziehungsweise anders. Da gelten keine Natur- und keine anderen Gesetze. Da sprechen Tiere und Spielkarten – und eigentlich alle „verrückt“.
Charlotte Arndt ist es gelungen, das 21-köpfige (!) Ensemble während fast eines Jahres zu einem Ganzen zu formen. Die Mitglieder des „Theaters der Generationen“, von denen niemand die Schauspielerei im Hauptberuf betreibt, präsentieren etwa zwei Stunden lang (ohne Pause) einen Abend zum Lachen und zum Staunen.
Plus manche neue Idee: Etwa die „Dreiteilung“ der Grinsekatze. Christiane Inhoffen, Isabella Alex und Leander Diedam spielen dieses ungreifbare Wesen mit geschmeidiger Gelassenheit, katzenhaften Bewegungen – und einem starken Song- und Tanz-Auftritt. Für den gab’s langen, verdienten Szenen-Applaus.
Alice verwandelt sich ständig, ist gleich mehrfach präsent: Sie wird älter (gut aufgelegt und nachvollziehbar erstaunt in dieser Rolle agiert Tanja Rösler), sie wird ihre Schwester, sie wird der (männliche) Herzbube. Ganz unverkrampft nimmt diese Theaterversion damit auch die Frage der Geschlechteridentität mit ins bunte, abwechslungsreiche Boot.
Ein Wirbelwind ist Timo Holzem als atemloses weißes Kaninchen, eine Punk-Fürstin Hande Ezgimen als lautstarke Kopf-ab-Königin, toll macht es Arndt-Henrik Kayser als soooo schläfrige philosophische Raupe. Und Laura Hutta sowie Mika Schlotmann als Hutmacher und Märzhase lassen es bei ihrer aus komplettem Nonsens bestehenden Teerunde mächtig krachen.
Darüber hinaus: Drei lebende Spielkarten (Barbara Sojka, Ella Konenmann, Emil Multhaup) eiern köstlich herum. Maus und Pagagei (Prudence Tsomo und Luis Neutag) sind vielfarbig unterwegs. Die Herzogin (Petra Moll) und die immer müde Siebenschläferin (Viktoria Danecki) haben’s richtig schwer. Felix Lehnigk als Herzbube (und Let’s-dance-DJ!) scheint in die Königin verliebt. Hartmut Krüpe-Silbersiepe ist eine höchst absonderliche falsche Schildkröte – und die fein oberlehrerinnenhafte Köchin (Hildegard Krüger) kocht ein Gericht namens „Das perfekte Kind“.
Dass es das nicht geben kann, dass es das nicht geben muss – und dass Alice sich nicht nach diesem Ziel zu strecken braucht: So sieht sie aus, die Moral dieser verrückten Geschichte, deren Botschaft gar nicht verrückt ist. Das sieht am Ende auch Alice’ Schwester ein: Michelle Middelhoff macht deren Wandlung zur „Unperfekten“ gut sichtbar.
Mit fesselnden Licht- und Musik-Effekten ist das ein „Alice“-Abend, der sich gut anfühlt. Passend dazu gab’s jede Menge Schlussapplaus.