Nach Toreschluss - die Wochenendsatire Die Schwebebahn von 1742
Wuppertal · Studierende und gute ausgebildete junge Leute in Deutschland wollen laut einer aktuellen Umfrage des Regionalverbands Ruhr unter 18- bis 29-Jährigen lieber in „unfertigen“ und wandlungsfähigen Regionen leben als in strukturell gefestigten Regionen mit hohem Wohlstandsniveau wie München.
Deshalb ist es natürlich kein Wunder, dass Wuppertal in den letzten Jahren so einen Studenten-Boom erlebt hat. Denn bei uns ist außer den Einwohnern ja so ziemlich gar nichts fertig. Fußgängerzonen, Bausch-Zentrum, Radwege, Stadtverwaltung – alles derzeit sehr unfertig und damit perfekt für die Ansprüche des akademischen Nachwuchses.
Nun hatten die ganzen Studenten wegen Corona allerdings zuletzt wenig Zeit, diese Unfertigkeit zu genießen, weil sie monatelang nicht an die Uni durften. Wenn das mit Corona und der Energiekrise so weitergeht, wird irgendwann eine Generation in die Arbeitswelt eintreten, die nach Homeschooling und Fernstudium direkt aus dem Kinderzimmer ins Büro wechselt.
Die Folgen dieser Entfremdung von der Studienort-Wirklichkeit sind nicht unerheblich. Das sieht man an einem Erlebnis, von dem mir neulich ein Freund erzählte. Er war mit der Schwebebahn gefahren und hatte dabei zwei Studenten beobachtet, die offensichtlich Freunde von auswärts zu einer Art Stadtbesichtigung mit unserem Wahrzeichen eingeladen hatten. Über die Schwebebahn wusste das Duo dabei zu berichten, dass sie 280 Jahre alt sei. Alteingesessene Wuppertaler werden bemerkt haben, dass hier eine kleine Ungenauigkeit vorliegt. Die Schwebebahn wäre demnach aus dem Jahr 1742.
Das kommt nicht ganz hin, weil die Strombeschaffung für den Betrieb damals noch schwieriger gewesen wäre als heute und sich die Bewegung der Züge mit der seinerzeit schon gebräuchlichen Handkurbel eher mühsam dargestellt hätte. Außerdem hätte die Schwebebahn dann statt von Kaiser Wilhelm II. vom 1742 gerade frisch gekrönten Kaiser Karl VII. eingeweiht werden müssen, der vielleicht gar keine Zeit gehabt hätte, weil er gerade einen Krieg am Bein hatte.
Trotzdem informierten die beiden studentischen Stadtführer ihre Besucher auch noch darüber, dass das Gerüst ebenfalls 280 alt sei und nur gerade neu angestrichen wurde. Wenn man das positiv sehen will, ist es den Stadtwerken also offensichtlich gelungen, beim 20 Jahre lang dauernden Austausch des Gerüsts ab Mitte der 90er Jahre historisch sehr genau zu arbeiten, auch wenn dabei ja ab und zu mal Teile runtergefallen sind.
Die Führung fand ihr grandioses Finale an der Haltestelle Zoo/Stadion. Hier ließen die studentischen Stadt-Experten wissen, dass die Haltestelle so heiße, weil hier früher mal ein Stadion und ein Zoo gewesen seien. Heute gäbe es nur noch das Stadion da unten.
Nun war der Zoo vorige Woche bei meiner letzten Fahrt durch Sonnborn eigentlich noch da und kaum zu übersehen. Und wirklich tragisch: Ein Besuch hätte sich für die Studenten sogar besonders gelohnt. Die Zoo-Gaststätten sind doch auch noch so herrlich unfertig ...
Bis die Tage!