Kommentar zur Oberbürgermeisterwahl Peter Jungs böser Albtraum
Wuppertal · Jetzt ist es passiert. Und wer Peter Jung am Wahlabend — wie vor schon vor 14 Tagen — erlebt hat, der sah, wie dieser sich in einem bösen Albtraum wähnte. Dass ihm das Wahlvolk erneut klar machte, dass es ihn nicht mehr wollte, traf ihn bis ins Mark.
Politisch und menschlich korrekt gratulierte er seinem Kontrahenten, durchaus herzlich, wie es sich für einen Peter Jung gehört. Aber richtig begriffen hat er die Entscheidung der Wähler vermutlich bis heute nicht. Wobei: Das ging Andreas Mucke nicht viel anders ...
Dabei sind die Zahlen schnell erklärt: Um Mucke in Schach zu halten, hätte Peter Jung schon jene 56.907 Stimmen gebraucht, die ihn 2009 zum zweiten mal in das Amt hoben, das ihm so sehr am Herzen lag. Doch 20.000 Wuppertaler verweigerten ihm die Gefolgschaft von damals. Wegen der vielen Staus? Wegen der Kamioka-Misere? Oder, es war ja eine Persönlichkeitswahl, hatte er sich so verändert? Nein, Jung wurde vor elf Jahren als Quereinsteiger und Sympathieträger in kürzester Zeit nach oben katapultiert, ging in all den Jahren stets fröhlich auf die Menschen zu, nahm ihre Anliegen ernst und verblüffte mit einem extremen Namengedächtnis. Er bereitete den Weg für ein investorenfreundlicheres Rathaus und kritisierte auch die eigene Partei, wenn die in Bund oder Land querschoss. Bis drei Tage vor der Stichwahl, als er in Berlin für die Belange der Kommunen kämpfte. Jung hatte sein eigenes politisches Profil, von der Grundrichtung konservativ, doch mit klaren Kanten gegen rechts und für Flüchtlinge. Das, so meinte (nicht nur) er, müsse doch für die Wiederwahl reichen.
Tat es nicht. Denn aus der Position des "Weiter so!" heraus sind in diesen Zeiten Wahlen nur schwer zu gewinnen. Zumal, wenn man mit uninspirierten Plakaten und ohne die massive Unterstützung seiner Partei in die Auseinandersetzung geht oder gehen will. Jung verstand sich bis zuletzt als überparteilicher Oberbürgermeister für alle Bürger. Das mag hier und dort Sympathien bringen, aber offensichtlich nicht genügend Kreuze auf dem Wahlzettel.
Ausreichend mobilisieren konnten hingegen die "Wechsel"-Stimmungsmacher. Und zwar außerhalb wie innerhalb der SPD. Mit einem pfiffigen Wahlkampf und einem frischen, unverbrauchten Kandidaten haben die Sozialdemokraten vor allem die Karte "Generationswechsel" gespielt — und gewonnen. Ob sich damit auch politische Wandlungen vollziehen, bleibt zunächst mal offen. Denn der starke Mann im Hintergrund, SPD-Fraktionschef Klaus-Jürgen Reese, ist nun erst einmal mächtiger denn je. Seinem Kooperationspartner CDU kann er ab sofort jederzeit mit der "Kündigung" drohen — schließlich haben sich auch die Mehrheitsverhältnisse im Rat verändert. Mit der gedrehten OB-Stimme hätte eine "Ampel-Koalition" von SPD, Grünen und FDP immerhin drei Stimmen Vorsprung...
Unterdessen muss sich Mucke zunächst mit seinem neuen Posten als Chef der 4.000 Köpfe zählenden Verwaltung auseinander setzen. Mit einem CDU-Kämmerer an seiner Seite, der für viele "Wechsel"-Wähler das Feindbild schlechthin ist. Und mit einem Tagesgeschäft, das auch ausgelernten Oberbürgermeistern in der Vergangenheit nur wenig Freizeit ließ. Da würde es schon helfen, wenn er wie sein Vorgänger viel Vergnügen an seinem neuen Job findet.
Andreas Mucke tritt in große Fußstapfen. In seinen ersten Äußerungen schwang Respekt vor dem Amt wie für den Vorgänger mit. Da kann es helfen, dass in den Nachbarstädten Remscheid und Solingen gegenwärtig ebenfalls Sozialdemokraten die Amtskette tragen. Insgesamt haben die drei gerade mal ein Jahr OB-Erfahrung, aber wie schnell man in eine neue Rolle finden kann, zeigte der Herausforderer schon im Rededuell mit Peter Jung vor der Stichwahl in der Rundschau. Nichts mehr von der Nervosität der ersten Auftritte, mit Spaß an der politischen Auseinandersetzung, selbstbewusst. Noch wird er vielerorts als beeinflussbares Leichtgewicht eingestuft — aber dem Irrtum ist auch mancher vor der Ära Jung unterlegen.