Medizin Auf der Suche nach Heilung

Wuppertal · In Aprath arbeiten 1.600 Menschen an der Erforschung neuer Medikamente. Ein Nierenspezialist gibt Einblicke in seinen Arbeitsalltag.

Eine Szene wie aus einem Science-Fiction-Film: Arbeitsalltag im Aprather Bayer-Forschungszentrum. Hier sind 1.600 Menschen beschäftigt. Den Forschern steht eine Bibliothek mit 4,5 Millionen Substanzen zur Verfügung.

Foto: Bayer AG

Vom Straßennamen bis zum Arbeitgeber — es gibt wohl kaum ein Unternehmen, das Wuppertal so geprägt hat wie Bayer. Während im Tal derzeit 2.000 Menschen daran arbeiten, die Wirkstoffe von unter anderem sechs der zehn umsatzstärksten Pharma-Produkte herzustellen, arbeiten 1.600 Kollegen in Aprath an der Erforschung neuer Medikamente. Was das für ein spannender Prozess ist, erklärte Nierenspezialist Professor Frank Eitner bei der Jahrespressekonferenz.

Wenn die Forschung schließlich in ein neues Medikament gemündet ist, gibt es in Aprath eine Feier. Dann wird jeder der meist über 100 beteiligten Mitarbeiter eingeladen. "Ein großartiges Erlebnis", sagt Professor Eitner. "Für das ganze Team." Was passiert aber vor diesem historischen Moment?

Finerenone ist ein solches Medikament, das derzeit in der Abschlussphase seiner Entwicklung steckt. Es verspricht, nierenerkrankten Menschen vor dem völligen Nierenversagen zu helfen und ihnen die Dialyse zu ersparen. In Finerenone stecken der Aufwand von drei Testphasen, rund zwei Milliarden Euro Investition und 15 Jahre Forschung.

2003 fanden Forscher in der Substanzbibliothek, die heute übrigens 4,5 Millionen Substanzen listet, einen Wirkstoff, der, so sagt Eitner, gegen Nierenversagen "dramatisch erfolgreich" zu sein schien. Nach der Euphorie kam die herbe Enttäuschung: Das im Wirkstoff enthaltende Hormon Aldosteron führte zu Nebenwirkungen, wie zum Beispiel Brustwachstum bei Männern. Die Forschung wurde eingestellt.

Nierenspezialist Professor Frank Eitner.

Foto: Bayer AG

Bis der Bayer-Forscher Dr. Peter Kolkhof die Gründe für den Erfolg und letztendlich fürs Scheitern noch einmal buchstäblich unter die Lupe nahm — mit Erfolg. Phase 1, in der der Wirkstoff an Tieren getestet wurde, schloss erfolgreich ab. Und die Ergebnisse der Phase 2, in der das Medikament zum ersten Mal an menschlichen Probanden getestet wurde, sagt Eitner, "hätten schöner nicht gemalt werden können."

Derzeit läuft Phase 3 — und welchen Verlauf sie nimmt, können die Forscher aus Aprath nicht beeinflussen. An über 11.000 Menschen weltweit wird Finerenone derzeit getestet. Danach könnte das Medikament 2021 marktreif sein. Im besten Fall würde eine einzige Tablette pro Tag den Funktionsgrad der bereits durch Diabetes oder Bluthochdruck geschädigten Nieren erhalten oder zumindest die weitere Schädigung bremsen. Im schlimmsten Fall aber scheitert Phase 3 und die Geschichte von Finerenone endet vor der Markteinführung.

Unabhängig davon, wie die Geschichte von Finerenone ausgeht, an der erfolgreichen Forschung, sagt der Leiter Chemiepark-Management, Dr. Mike Matthäus, seien nicht nur die Forscher beteiligt. "Alle, die diesen Standort täglich am Leben halten, sind wesentlicher Bestandteil der Entwicklung."

Der Beginn solcher Geschichten wird in Aprath übrigens tatsächlich täglich geschrieben. "Es werden ständig neue Projekte angestoßen", so Frank Eitner — und einige von ihnen führen zu Milliardeninvestitionen. Mit der großen Hoffnung auf Erfolg.