Ev. Gemeinde Elberfeld-West „Sophiemobil“: Mit dem Stammtisch unterwegs

Wuppertal · Raus aus der Kirche, rein ins Getümmel der Großstadt: Pfarrerin Isabell Berner-Paul und ihr Kollege Johannes Nattland laden in den Ferien zum mobilen Stammtisch ein.

Pfarrer Johannes Nattland und Pfarrerin Isabell Berner-Paul.

Foto: Sabine Damaschke

Wein und Bier sind schon kaltgestellt und die Bierdeckel sortiert. Denn die spielen für das neue Stammtisch-Projekt der evangelischen Kirchengemeinde Elberfeld-West eine besondere Rolle. „Über verschiedene Thesen, die wir auf die Bierdeckel gedruckt haben, wollen wir an öffentlichen Orten Wuppertals mit den Menschen ins Gespräch kommen“, erklärt Pfarrerin Isabell Berner-Paul. „Und zwar ganz direkt ohne einen langen und belehrenden Input.“

Dafür fahren die Pfarrerin und ihr Kollege Johannes Nattland an den kommenden beiden Mittwochabenden mit dem „Sophiemobil“ der Gemeinde auf den Obi-Parkplatz Steinbeck und den Platz am Weyerbuschturm auf der Kaiserhöhe. An vier Stehtischen mit Bier und Wein laden sie zu Diskussionen über „Kirche und Politik“ ein. Ein Testlauf für ein Projekt, das nach den Ferien fortgeführt werden soll.

Bedruckte Bierdeckel geben den Input fürs Gespräch.

Foto: Sabine Damaschke

Wie politisch darf Kirche sein?

„Heute wird zunehmend gefordert, dass Kirche sich zurückhält mit politischen Aussagen und sich auf die biblische Verkündigung konzentriert“, beobachtet Johannes Nattland. „Wir wollen gerne mit Menschen aus Wuppertal ins Gespräch darüber kommen, wie politisch Kirche ihrer Ansicht nach sein sollte.“

Ein Blick auf die Bierdeckel zeigt, dass die Frage durchaus kontrovers diskutiert werden kann. In der Bergpredigt heißt es, dass Menschen glückselig sind, die Frieden stiften und für Gottes Gerechtigkeit eintreten. Der verstorbene Politiker Wolfgang Schäuble dagegen meinte, die Bergpredigt sei keine Anleitung für Politik und die Kirche kein Politikersatz.

Auch die sechste These der Barmer Theologischen Erklärung steht zur Diskussion: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne die Kirche … das Wort und Werk des Herrn in den Dienst irgendwelcher eigenmächtig gewählter Wünsche, Zwecke und Pläne stellen.“

Die Sicherheit der Kirchenmauern verlassen

Isabell Berner-Paul ist schon seit 2020 mit „Sophiemobil“ unterwegs.

Foto: Sabine Damaschke

Miteinander reden, streiten und sich in Frage stellen lassen – und zwar außerhalb der „sicheren Kirchenmauern“: Das ist die Idee des neuen mobilen Stammtisch-Projekts der Gemeinde, das zur Bannerkampagne „Ohne uns würde vieles fehlen“ passt. Jeden Monat zeigen Menschen auf einem Banner an der Sophienkirche Gesicht für all das, was die Gemeinde ganz konkret in ihrem Stadtteil für andere tut – und was fehlen würde, sollte es diese evangelische Gemeinde eines Tages nicht mehr geben.

Mit dem „Sophiemobil“ sind Pfarrerin Isabell Berner-Paul und Pfarrer Johannes Nattland schon seit 2020 regelmäßig im Stadtteil unterwegs. Allerdings vorwiegend, um Gottesdienst zu feiern. Die Idee entstand während der Coronazeit, als die Kirchen geschlossen waren – und kam gut an. „Wir haben nur positive Rückmeldungen erhalten. Viele Menschen schätzen es sehr, wenn Kirche zu ihnen kommt“, sagt Isabell Berner-Paul.

Kirche kennenlernen und Demokratie lernen

Auch einen Stammtisch bietet die Gemeinde schon seit vielen Jahren an, in dem monatlich über gesellschaftspolitische, biblische und persönliche Glaubensthemen gesprochen wird. Im Reformationsjahr 2017, als 500 Jahre Reformation gefeiert wurde, traf sich der Stammtisch auch außerhalb der Kirche in einem Café. Drei weitere Innenstadtgemeinden machten mit.

„Bei einem Stammtisch kann das faire Diskutieren und Streiten gelernt werden, das für eine Demokratie so wichtig ist“, meint Johannes Nattland. „Denn das fehlt uns in einer Zeit emotional aufgeheizter Debatten in Politik und Medien zunehmend.“