Handball: BHC-Keeper Björgvin Pall Gustavsson im Porträt Von Emma, Garnelen und ganz viel Haar-Gel
Wuppertal / Solingen · Emma sei Dank. Einem Anfang August zwei Jahre alt gewordenen Mädchen hat es der Bergische HC zu verdanken, dass er zwischen den Pfosten auch weiterhin auf die Dienste von Björgvin Pall Gustavsson bauen kann.
Denn eigentlich dachte der Torhüter daran, den Handball-Bundesligisten zu verlassen.
"Mit dem BHC hatte das aber absolut nichts zu tun. Ich habe einfach damit geliebäugelt, in einer anderen Liga noch mal neue Erfahrungen zu sammeln, und dafür Dänemark, Frankreich oder Spanien in Erwägung gezogen", sagt Gustavsson. Dann aber kam Töchterchen Emma ins Spiel. "Meine Frau und ich haben uns Gedanken gemacht, ob ein Umzug für unsere Tochter zum jetzigen Zeitpunkt sinnvoll ist. Und wir sind dann recht schnell zu dem Entschluss gekommen, dass wir alles, was wir zum Glücklichsein brauchen, hier im Bergischen Land vorfinden."
Emma kommt also nun in Haan in den Kindergarten, Papa Björgvin bleibt bis mindestens 2017 beim BHC — und er ist heiß auf die neue Saison. Nach dem erfolgreichen Auftakt im DHB-Pokal, wo am vergangenen Wochenende mit zwei Siegen das Achtelfinale erreicht wurde, folgt am morgigen Sonntag (17.15 Uhr, Liveticker hier klicken) nun der Start in die Bundesliga.
Dabei reist Gustavsson in die eigene Vergangenheit, denn von 2011 bis 2013 trug er das Trikot des SC Magdeburg. "Sportlich lief es für mich dort nicht so gut, weil ich oft mit Verletzungen und Krankheiten zu kämpfen hatte. Aber unter dem Strich war es trotzdem eine tolle Zeit. Ich habe viele Freundschaften geschlossen und halte immer noch Kontakt zum Club sowie zu einigen Spielern", sagt Gustavsson.
Ob er in der Bördelandhalle mit dem BHC eine Überraschung schafft? "Unsere Chance ist eher klein. Gerade zu Hause ist der SCM mit seinen fantastischen Fans im Rücken eine Macht. Aber natürlich wollen wir in dieser Saison auswärts stärker werden."
Dafür hat Gustavsson im Sommer in der Heimat den Akku wieder aufgeladen. Mit Frau Karen und der kleinen Emma ging es nach Hvammstangi, Gustavssons gerade mal 558 Einwohner zählenden Geburtsort auf Island. Einen kleinen Supermarkt, eine Tankstelle, eine Apotheke und die Post gibt es dort — ansonsten sagen sich Garnele und Kabeljau gute Nacht. "Sogar der Handy-Empfang ist oft stundenlang weg. Aber genau deshalb ist die Zeit dort wichtig für mich. So kann ich komplett abschalten, runter kommen und neue Kraft tanken", so Gustavsson.
Die braucht er für den erneuten Kampf um den Klassenerhalt mit dem BHC. "Wir dürfen nicht glauben, dass wir den mal eben so locker schaffen. Wir sind immer noch ein Abstiegskandidat und müssen erneut beweisen, dass wir uns ganz langsam in der Bundesliga etablieren wollen", weiß der Isländer. Für den Hünen mit der blonden Mähne ist der Aufenthalt im Tabellenkeller ungewohnt. In Magdeburg und auch bei den Kadetten Schaffhausen (Schweiz) war er dieser Belastung nie ausgesetzt. Gustavsson aber hat Gefallen an der Situation gefunden: "Es macht viel mehr Spaß als irgendwo zwischen Platz vier und sieben zu pendeln. Mit meinen Paraden einem Verein zu helfen, der den Menschen in der Region so viel bedeutet, ist einfach ein großartiges Gefühl."
Gustavsson lebt auf dem Parkett für diese Momente. Fleißig, emotional und mit viel Herz ist er bei der Sache. Attribute, die den Isländern generell eigen sind und mit denen es die Handball-Nationalmannschaft zu großen Ehren gebracht hat. Bronze gab es bei der EM 2010, gar Silber bei den Olympischen Spielen 2008. "Den Tag nach dem Endspiel hat unser Staatspräsident zum Feiertag erklärt. Kein Isländer musste arbeiten", erzählt Gustavsson, der am Glück seiner Landsleute großen Anteil besaß.
Mit ihm hatte Island endlich einen Klasse-Torhüter gefunden. "Wir haben so viele talentierte Spieler, aber keiner mag ins Tor. Für mich jedoch war es gerade in der Jugend die perfekte Position. Ich war schon ein etwas schwieriges Kind, und der Handball hat mir geholfen, meine Lebhaftigkeit sinnvoll einzusetzen. Zwischen den Pfosten konnte ich meine überschüssige Energie perfekt ausleben", grinst Gustavsson. Mit 30 ist er inzwischen natürlich ruhiger geworden. Emma dürfte sicher auch hier ihren Beitrag geleistet haben, so wie sie ihren Vater offenbar nun sogar bodenständig gemacht hat. "Ich kann mir durchaus vorstellen, in zwei Jahren beim BHC noch mal zu verlängern."
Für die Zeit nach der Karriere hat sich Gustavsson aber dennoch schon gewappnet. Als Einstieg in die Geschäftswelt ließ er 2011 ein Haargel produzieren, das sich auf Island 35.000-mal verkaufte. Jetzt hat er sich an der Fern-Uni Reykjavik für ein Marketing-Management eingeschrieben. Da wäre später sicher auch beim BHC eine Stelle für ihn frei, doch Gustavsson winkt ab: "Wir Isländer wollen irgendwann alle zurück in die Heimat, sonst fehlt uns einfach was."
Wenn er da die Rechnung mal nicht ohne seine Tochter Emma gemacht hat ...