"Trikotbrust wird nicht leer sein"
Nach den turbulenten vergangenen Tagen versucht sich der Fußball-Oberligisten Wuppertaler SV wieder auf die anstehenden Aufgaben zu konzentrieren - den Aufstiegskampf und die Planung für die kommende Saison.
Finanzvorstand Lothar Stücker nimmt im Rundschau-Interview Stellung.
Herr Stücker, 2.500 Euro sind in einer Woche bei der freiwilligen Spendenaktion zusammengekommen, rund 72.000 Euro fehlen damit noch. Sind Sie zufrieden mit dem Auftakt?
Stücker: Die 2.500 Euro sind das Ergebnis weniger Tage. Hiermit bin ich sehr zufrieden, aber vor allem dankbar. Es ist nicht selbstverständlich, dass Menschen aus freien Stücken Geld abgeben, ohne eine direkte Gegenleistung zu erhalten. Das gilt grundsätzlich für alle Zuwendungen. Demzufolge habe ich keine Erwartungshaltung, sondern hege Hoffnungen.
Wer kann alles spenden?
Stücker: Jeder kann sich an dieser Aktion beteiligen. In der letzten Zeit wurde ich von einigen Wuppertalern Privatpersonen und Unternehmen auf das Insolvenzverfahren angesprochen. Vielen ist erst jetzt die Bedeutung dieses Verfahrens deutlich geworden. Insbesondere die Tatsache, dass Forderungen gegen den WSV in Höhe von über 5,4 Millionen Euro angemeldet wurden, zeigt die Notwendigkeit und Tragweite des Verfahrens. Der WSV wäre von der Bildfläche verschwunden. Das ist vielen mittlerweile klar geworden.
Bis wann muss die Summe zusammenkommen? Steht ggf. sonst weniger Geld für den Kader 2015/16 und damit für Qualität zur Verfügung?
Stücker: Am liebsten sofort. Davon gehe ich aber nicht aus. Alles was dieses Wirtschaftsjahr nicht realisiert wird, wird auf das nächste Jahr vorgetragen und schmälert entsprechend das Budget. Alles andere ist nicht darstellbar. So wie ich Achim Weber kenne, wird er alles daran setzten, dass die Qualität des Kaders nicht darunter leidet. Zudem verfügt der WSV über eine exzellente Jugendarbeit. Hier sind wir deutlich stärker aufgestellt als die meisten Konkurrenten. Das werden wir endlich konsequent nutzen.
Glauben Sie, dass Wuppertal und das Bergische Land noch ein Standort für höherklassigen Fußball ist? Die Sponsoren geben sich eher zurückhaltend. Nach Remscheid und Solingen braucht man ohnehin nicht mehr zu schauen.
Stücker: Wenn ich das nicht glauben würde, würde ich mich nicht in den Dienst der Sache stellen. Ich bin nie davon ausgegangen, dass sich Sponsoren nach dem Umbruch vor dem Stadion in Reihe aufstellen, um uns zu unterstützen. Dafür hat dieser Verein zu lange in einer Kultur verharrt, die das nicht zuließ. Sponsoren müssen mitgenommen, gehegt und gepflegt werden. Ich kann aber langsam positive Bewegungen erkennen. Der WSV steht gesellschaftlich wesentlich besser dar als vor zwei Jahren.
Jörg Wolff steht mit seiner Firma ICG nicht mehr als Trikotsponsor zur Verfügung. Ist schon Ersatz in Sicht?
Stücker: Die ICG GmbH ist letztes Jahr als Trikotsponsor eingesprungen, als sich kein adäquater Sponsor gefunden hat. Hierfür gebührt Jörg Wolff unser Dank. Das Engagement war von Beginn an auf ein Jahr begrenzt. Nun sind wir auch hier ein Jahr weiter und entwerfen momentan eine lukrative Konzeption für die nächste Saison. Die Trikotbrust wird sicher nicht leer sein.
In dieser Saison liegt der Etat bei rund einer Millionen Euro, darunter 400.000 Euro für die erste Mannschaft. Wäre diese Summe erneut zu stemmen? Immerhin entfallen auch die Einnahmen aus dem Leverkusen-Testspiel. Und was müsste im Falle des Regionalliga-Aufstiegs her?
Stücker: Dies hängt in der Tat damit zusammen, in welcher Liga wir das nächste Jahr spielen. Es ist durchaus möglich, dass wir aufsteigen. Wir würden dann unser Grundsystem mit berufstätigen Spielern zwar nicht ändern, sehen aber in dem Fall eine Budgeterweiterung von rund 200.000 Euro. Sollten wir in der Oberliga verbleiben, würden wir unser Budget des letzten Jahres um die noch nicht refinanzierten Kosten des Insolvenzverfahrens und die gestiegenen Sicherheitskosten reduzieren. Wie oben erwähnt, muss dies auf die sportliche Qualität keine Auswirkung haben. Ziel ist ein ausgeglichener Haushalt.
Welche weiteren Finanzierungsmodelle gibt es? Eine Ausgliederung zum Beispiel?
Stücker: Sicher machen wir uns Gedanken über alternative Finanzierungsmodelle. Das ist aber hier und heute noch zu früh, um mit diesen Überlegungen an den Markt zu gehen.
In Bielefeld arbeiten Politik und Wirtschaft eng zusammen, um die Arminia zu unterstützen und als Botschafter der Stadt zu nutzen. Vermissen Sie diesen Rückhalt in Wuppertal nicht?
Stücker: Ich erkenne ausdrücklich, dass uns die Wuppertaler Politik und Verwaltung unterstützt. Meiner Meinung nach wurde hier über Jahre ein Bild geschürt, welches nicht richtig ist. Erst kürzlich haben sich alle Beteiligten dafür eingesetzt, dass wir kurzfristig über die Sporthalle am Stadionnebenplatz verfügen können. Diese Sportstätte ist für unser Konzept von großer Bedeutung. Unser Weg ist von der Wuppertaler Politik und Verwaltung erkannt worden und wird, im Rahmen der Möglichkeiten, unterstützt. Das wird auf Dauer auch für die Wirtschaft gelten. Mehr geht natürlich immer, und die Ungeduld ist auch permanent präsent. Aber das wird schon.
Was würde ein drittes Oberliga-Jahr für den WSV bedeuten?
Stücker: Es wäre vor allem sportlich schade. Leider oder zum Glück ist sportlicher Erfolg nicht planbar. Unser Ziel ist es, dass wir uns jährlich verbessern. In der letzten Saison wurden wir Tabellendritter. Sollten wir dieses Jahr den zweiten Platz belegen, bleibt nächste Saison ja nicht mehr viel übrig. Aber das interessiert uns jetzt nicht. In dieser Saison ist noch einiges zu erreichen. Sprechen wir also in ein paar Wochen noch einmal darüber.
Was wäre Ihr größter Wunsch mit Blick auf den WSV?
Stücker: Ich habe Ende der 60er Jahre das erste Mal im Stadion gestanden. Ich habe in der Folgezeit erlebt, was der WSV in uns und für die Stadt Wuppertal bewegt hat. Montags sprachen wir mit unseren Lehrern über die Fußball-Ergebnisse. Der WSV bedeutete für Wuppertal Identifikation. Wir waren stolz, wenn unsere Stadt im Fernsehen genannt wurde. Das ist lange her und weit weg. Mein persönlicher Wunsch und auch der aller Beteiligter beim WSV ist es, wieder etwas von diesem Glanz zu gewinnen. Es hört sich vielleicht etwas wie Spinnerei an, aber andere Städte sind diesen Weg auch erfolgreich gegangen und profitieren heute von dieser Situation. Der WSV ist keine Retorte, sondern Tradition und ein wichtiger Bestandteil der Geschichte dieser Stadt.