Tag der Befreiung OB Mucke: „Solidarität innerhalb Europas ist gefragt“

Wuppertal · Am 8. Mai 1945 endete mit der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht der 2. Weltkrieg in Europa. Oberbürgermeister Andreas Mucke wendet sich anlässlich des Tags der Befreiung, der sich zum 75. Mal jährt, per Video an Wuppertals Bürgerinnen und Bürger. Die Ansprache im Wortlaut.

Wuppertals Oberbürgermeister Andreas Mucke.

Foto: Wuppertaler Rundschau/Simone Bahrmann

„Liebe Wuppertalerinnen und Wuppertaler, vor 75 Jahren – am 8. Mai 1945 – endete der Zweite Weltkrieg mit der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht. Am Ende des sechs Jahre dauernden Krieges stand ein zerstörtes Europa – standen Verzweiflung, Vertreibung und moralischer Zusammenbruch. Über 60 Millionen Menschen haben ihr Leben verloren. Eigentlich hätten wir den 8. Mai mit einer Gedenkveranstaltung gewürdigt. Wegen der Corona-Epidemie muss diese leider ausfallen. Trotzdem vergessen wir diesen wichtigen Tag nicht und rufen ihn uns in Erinnerung.

Der 8. Mai war – wie der frühere Bundespräsident Richard von Weizsäcker zum 40. Jahrestag (1985) formulierte – der ,Tag der Befreiung‘. Befreit von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden die, die in Konzentrationslagern gefangen waren, ins Exil flüchten, sich über Jahre verstecken oder unter der deutschen Besatzung leiden mussten. Als von Weizsäcker in seiner damaligen Rede vom ,Tag der Befreiung‘ sprach, gab es viel Zuspruch, aber auch viel Kritik. Viele sahen den 8. Mai immer noch als Tag der Niederlage. Sie wollten nichts von der eigenen und / oder familiären Vergangenheit wissen, sondern sich gerne frei von der eigenen Schuld machen.

Das Kriegsende war aber nicht das Ende des nationalsozialistischen Gedankenguts. Die Nazi-Ideologie war mit dem 8. Mai nicht einfach gelöscht! In Deutschland gab es einen langen und schwierigen Prozess der Aufarbeitung, der nie abgeschlossen sein wird. Denn auch in der Gegenwart versuchen die Rechtspopulisten wieder, unsere Geschichte umzudeuten und damit ihre Politik zu rechtfertigen. Heute identifizieren wir uns oft mit denjenigen, die während der NS-Zeit Widerstand geleistet haben. Es sind Vorbilder für uns. Aber es waren nur ganze wenige, die damals Zivilcourage gezeigt haben.

Der Nationalsozialismus wurde von der Mehrheit der Deutschen getragen. Das muss uns immer bewusst sein. Deshalb wird Deutschland niemals befreit sein können von der Verantwortung für die Verbrechen, die verübt wurden. Wir müssen uns dies immer wieder vergegenwärtigen und die richtige Lehre ziehen: ,Von deutschem Boden darf nie wieder Krieg ausgehen.‘ Seit über 70 Jahren leben wir mit unseren europäischen Nachbarn friedlich zusammen. Wuppertal trägt dazu bei, pflegt lebendige Städtepartnerschaften. Der Friede ist nicht selbstverständlich. Das war ein langer Weg der Annäherung, Aussöhnung und Verständigung mit früheren Erbfeinden und Kriegsgegnern.

Das, was Generationen vor uns mühsam aufgebaut haben, gerät wieder ins Wanken: Überall in Europa – auch bei uns – wachsen Antisemitismus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Antidemokraten streben in die Parlamente und Stadträte. Ihnen geht es um das Schüren von Ängsten und Feindschaften gegen die, die nicht so sind, wie sie selbst.

Die wirtschaftlichen und sozialen Folgen der Corona-Epidemie sind derzeit gar nicht absehbar. Sicher ist aber: Kein Land hat Schuld daran. Gemeinsam mit unseren europäischen Nachbarn können wir wieder aus der Krise kommen. Aus dem derzeit notwendigen Abstandsgebot darf nicht Abschottung, Ausgrenzung und die Rückkehr ins Nationale werden. Solidarität innerhalb Europas ist gefragt. Damit nicht die rechten Hetzer profitieren, die die Länder gegeneinander ausspielen.

75 Jahre Kriegsende und Befreiung von der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft sind ein dauernder Auftrag für uns alle: Nie mehr Faschismus – nie wieder Krieg!“