Landgericht Rocker und Rotlichtmilieu

Wuppertal · Ein ehemaliges Mitglied der Wuppertaler Abteilung der "Osmanen Germania" muss sich derzeit in einem Berufungsverfahren vor dem Landgericht wegen Zwangsprostitution und vorsätzlicher Körperverletzung verantworten.

SEK-Einsatz im Zusammenhang mit den "Osmanen Germania" im Februar 2018 am Opphof.

Foto: Claudia Otte

Der 35-Jährige hatte sich zuvor öffentlich von der Rocker-Szene losgesagt.

Rein in den Gerichtssaal, raus aus dem Gerichtssaal. Es war ein munteres Hin und Her an diesem Verhandlungstag vor der Berufungskammer des Landgerichts. Auf der Anklagebank: ein ehemaliges Mitglied der Wuppertaler "Osmanen Germania". Dass sich deren damaliger "Sergeant at Arms" von der Rocker-Szene losgesagt haben soll, hatte dem Angeklagten offenbar schon im Vorfeld dieses Prozesses reichlich Probleme beschert. Im Juni 2017 hatte es einen Rocker-Aufmarsch auf dem Platz der Republik gegeben. "Ich bin Aussteiger. Man wollte mich umbringen", soll der 35-Jährige damals gesagt haben. Sein Anwalt bestätigte nun, dass von "Wegmachen" die Rede gewesen sein soll.

Im Februar dieses Jahres hatte sich der Angeklagte dann vor dem Wuppertaler Schöffengericht wegen Menschenhandels und Zwangsprostitution zu verantworten. Die Staatsanwaltschaft hatte ihm vorgeworfen, drei junge Frauen zur Prostitution gezwungen zu haben. Das Gericht hatte ihn damals zu einem Jahr und acht Monaten Freiheitsentzug verurteilt, nun wird die Berufung verhandelt.

Aussagen sollten nun etliche Zeugen, gegen die nach den erstinstanzlichen Vernehmungen diverse Strafverfahren eingeleitet worden waren. Eine Zeugin verweigerte deshalb gleich die Aussage, eine andere war gar nicht erst gekommen und soll polizeilich vorgeführt werden.

Die Verhandlung musste jedenfalls immer wieder unterbrochen werden. Der Angeklagte sitzt derzeit in Untersuchungshaft — er soll im bisherigen Prozessverlauf gesagt haben, dass er jenseits der Gefängnismauern um sein Leben fürchten müsse. Das Opfer: Eine damals 18-Jährige, der der Ex-Rocker die Ehe versprochen haben soll. An den Kosten für die türkische Hochzeit sollte sich die junge Frau beteiligen — dabei soll es um insgesamt 70.000 Euro gegangen sein.

Um Verdienstmöglichkeiten aufzutun, soll der Angeklagte seine Freundin einer Prostituierten vorgestellt haben. Offenbar wurde man sich schnell einig, fortan jedenfalls verdiente die Frau in diversen Bordellen in Barmen und Elberfeld ihr Geld. Das wiederum soll der Angeklagte einkassiert haben, um seiner Freundin zehn Euro am Tag für Zigaretten zu überlassen.

Inzwischen soll es eine weitere sexuelle Beziehung des Mannes zu einer Prostituierten gegeben haben. Beide Frauen sollen in seiner Wohnung übernachtet haben. Morgens habe er sie zum Bordell gefahren, um sie dort nach getaner Arbeit wieder abzuholen. Derweilen war der geplante Hochzeitstermin längst verstrichen, der Angeklagte hatte die Hoffnungen seiner Freundin dennoch aufrechterhalten. Als die mit der Dreiecksbeziehung nicht mehr klargekommen sei, soll der 35-Jährige sie geschubst, festgehalten und gewürgt haben.

So jedenfalls stand es in der Anklageschrift. Zuvor hatte der Mann dem Gericht eine andere Geschichte erzählt: Er will die Frau aus der Rocker-Szene und dem Rotlichtmilieu herausgeholt haben. Ihrer Tätigkeit im Bordell soll sie aus freien Stücken nachgekommen sein, um sich an den Kosten für die Hochzeit beteiligen zu können.

Ein ehemaliger Bekannter aus der Rocker-Szene, der nun — aus der Haft vorgeführt — als Zeuge aussagte, sah die Sache anders: "Du hast sie rausgeholt und wieder reingesteckt", kommentierte er die Odyssee der Frau von einem Bordell ins nächste.

Zu den Abläufen bei den "Osmanen Germania" wollte der Zeuge hingegen nichts sagen. Mit denen sei er noch wegen anderer Dinge in Verhandlungen. Der Angeklagte jedenfalls soll das Wuppertaler Gruppe damals wegen eines Streits mit dem später bei einem SEK-Einsatz getöteten Präsidenten verlassen haben. "Er hat sich selbst eine Gruppe aufgebaut und Krieg angefangen", so der Zeuge.

Der Prozess wird fortgesetzt.