Nach Toreschluss - die Wochenend-Satire Primark-Check

Da gehe ich doch am Mittwoch durch Hannover und stehe plötzlich vor Primark. Sie wissen schon: Das ist keine neue Währung, sondern dieses Textilkaufrauschhaus, das demnächst auch am neuen Döppersberg einziehen soll.

Rundschau-Redakteur Roderich Trapp.

Foto: Bettina Osswald

Ich also sofort mal rein und geguckt, ob die was Schickes für mich haben.

Positiv fällt sofort ins Auge, dass hier keinerlei störender Ladenbau den Blick auf die Produkte verstellt, von denen ein nicht unerheblicher Teil auf dem Boden verstreut liegt. Erfahrene Shopper kennen diesen Anblick aus Outlet-Stores, die von einer Busladung westfälischer Hausfrauen heimgesucht wurden.

Ich stolpere daher zunächst über ein paar Schuhe für 17 Euro, deren Designer versucht hat, ihnen mit Hilfe einer Plastilin-Kautschuk-Masse eine lederähnliche Anmutung zu geben. Beim Geruch ist das definitiv nicht gelungen: Der ruft unmittelbar Assoziationen an Begriffe wie "Leuna", und "Seveso" hervor. Bemerkenswert ist ein durchsichtiger Aufkleber auf der beigen Sohle, der in ebenfalls beiger und damit komplett unlesbarer Schrift auf transparentem Grund mutmaßlich einen Warnhinweis enthält. Ich würde das Ding gerne abknibbeln, um es lesen zu können. Aber bei Primark sollen ja mehr Kameras stehen als beim ZDF, deshalb traue ich mich nicht und kann den Inhalt nur raten. Meine Vermutung: "Zu Schweißfußrisiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Podologen!"

Ich behalte also lieber meine eigenen Schuhe an und gehe zur Oberbekleidung. Im Sonderangebot gibt es heute T-Shirts für drei Euro, deren Motive man immer schon mal nicht tragen wollte. Sie fassen sich an wie der Gummihandschuh, den meine Frau zum Geschirrspülen benutzt. Diese Haptik ausweislich des Etiketts mit nur 50 Prozent Polyester hinzukriegen, ist ein textiltechnisches Husarenstück. Wer die Fummel nach dem Erwerb wegwerfen will, muss allerdings zum Schadstoffmobil.

Neben mir stupst derweil eine junge Frau ihre Freundin an und zeigt auf eine Art gestrickter Halswurst mit Bommeln und Teilmütze, in der selbst Heidi Klum aussehen würde, als hätte sich Pippi Langstrumpfs hässliche Schwester aus der Altkleidersammlung bedient. "Das ist ja cool", findet die Frau. "Würdest du das denn anziehen?", fragt die Freundin. "Nö", sagt die Frau.

Apropos nicht anziehen: Ich begebe mich zur schier unermesslichen Jeans-Auswahl, greife die erstbeste heraus und stelle sie vor mich hin. Das ist ohne weiteres möglich, weil das hier verbaute Material so steif ist, dass die Hose auch ohne Träger in Form bleibt. Ein ähnliches Produkt habe ich zuletzt bei meinem ersten DDR-Besuch in einem Jugendmodeladen unter dem Fachbegriff "Doppelkappnahthose" gesehen. Ich vermute also, dass es sich um ein Sondermodell zum Jubiläum des Mauerfalls handeln muss. Der aufgerufene Preis von zehn Euro scheint mir für diese Produktqualität trotzdem eher ambitioniert.

Nun reden ja auch alle davon, dass Primarks mode-ähnliche Hervorbringungen unter menschenunwürdigen Bedingungen produziert werden sollen. Gucken wir also mal, wo die Sachen herkommen, das steht ja irgendwo drin. Ah, da ist das Etikett — und was steht drauf? Vielleicht "Made in Pakistan by kleinen Kindern in 28-Stunden-Schichten für einen halben Teller Reis"? Nein, nein, was ganz anderes: "Von Feuer fernhalten!" Das ist bei 29 Prozent Polyester in der Buxe bestimmt keine schlechte Idee, verrät aber nichts über die Herkunft. Auch der Aufkleber mit roter Kleinschrift auf rotem Grund (offenbar dasselbe Prinzip wie bei den Schuhen) teilt Menschen mit 150 Prozent Sehkraft lediglich mit, dass diese Hose voraussichtlich abfärbt wie ein Stempelkissen und separat oder vielleicht besser gar nicht gewaschen werden sollte.

"Brauchen wir sowas in Wuppertal?", werden Sie sich jetzt möglicherweise fragen. Die Antwort ist einfach: Ja, was anderes als ein Wegwerfmodehaus traut uns der deutsche Einzelhandel nämlich offensichtlich selbst in Bestlage nicht zu. Und er wird seine Gründe haben. Dafür gibt es einen Fachbegriff: Armutszeugnis...

Bis die Tage!

(Rundschau Verlagsgesellschaft)