Falsch gespeichert

20 Unschuldige gerieten im Rahmen der Ermittlungen um die Messerstecherei am Autonomen Zentrum "irrtümlich" unter Mordverdacht. Die Staatsanwaltschaft nennt Computerfehler als mögliche Ursache.

Beunruhigende Vorladung: „In der Ermittlungssache Totschlag (Versuch)... ist Ihre Vernehmung als Beschuldigter erforderlich.“

Foto: Dirk Lotze


Sie sahen sich über Monate unschuldig im Fokus von Mordermittlungen, dabei waren sie selbst als Besucher des linken Autonomen Zentrums (AZ) an der Gathe Opfer eines rechten Angriffs geworden; einer der Gäste wäre an Messerstichen fast gestorben. Jetzt erklärt die Staatsanwaltschaft Wuppertal auf Anfrage, Vorladungsbriefe an 20 Betroffene, die teils Ersthelfer im AZ waren, seien womöglich falsch geschrieben worden: "Richtigerweise hätte der Tatvorwurf auf Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte lauten müssen." Und zwar ab dem Zeitpunkt, zu dem die Polizei das Ermittlungsverfahren erstmals vorgelegt hat.

Dass überhaupt gegen die linken Besucher ermittelt wurde, gründet den Behörden zufolge wesentlich auf einer Version des Geschehens, die die Polizei am Morgen des Tattags, 11. April 2015, veröffentlichte — und der Zeugen im jetzt abgeschlossenen Schwurgerichtsprozess gegen drei Rechte in jedem Punkt widersprochen haben: Die Linken hätten Sanitäter und Polizisten aufgehalten, man habe mittels Reizgas und Knüppel den Weg zum Schwerverletzten im AZ quasi freigekämpft.

Die Polizei erklärt dazu: "Die Angaben entsprachen dem damaligen Sachstand der Ermittlungen." So früh sei der aber nie vollständig — und ab der ersten Veröffentlichung sei die Staatsanwaltschaft zuständig geworden.
Später gab es mündlich andere Fassungen, wiederum von der Polizei. Das Präsidium bestätigt, dass eine interne Notiz, spätestens vom Mittag des Tattags, beschreibt: AZ-Besucher hätten die Rettungskräfte ins Haus gelassen, aber Polizisten aufgehalten. Die beunruhigenden Vorladungen wegen "Mordversuchs" beziehungsweise "versuchten Totschlags" erhielten linke Beschuldigte allerdings noch Wochen später. Entsprechende Unterlagen haben unserer Zeitung vorgelegen. Für die Betroffenen lasen sich die Vorladungen, als ob doch jemand glaube, man habe wissentlich den Tod eines Menschen riskiert, nur um die Polizei nicht ins AZ zu lassen.
Laut Staatsanwaltschaft sei es denkbar, dass der im Computer anderweitig abgespeicherte Vorwurf durch Kopieren in die Vorladungen der Linken gelangt sei. Anfang September habe man 19 Betroffenen geschrieben, dass die Ermittlungen — eben wegen Widerstands — gegen sie eingestellt sind.
Oberstaatsanwalt Wolf-Tilman Baumert: "Sollte bei einigen (ehemaligen) Beschuldigten irrtumsbedingt davon ausgegangen werden, dass hier noch Ermittlungen wegen eines versuchten Totschlags geführt werden, wäre dies bedauerlich."