Bergische Uni Wuppertal Autonomes Fahren als mobile Zukunftsperspektive

Wuppertal · Ingenieur Lukas Hahn studierte Wirtschaftsingenieurwesen an der Bergischen Universität und arbeitet heute im weltweit führendem Technologieunternehmen Aptiv.

Dr.-Ing. Lukas Hahn.

Foto: Hahn

„Wir glauben, dass Mobilität die Kraft hat, die Welt zu verändern – und Aptiv hat die Kraft, die Mobilität zu verändern.“ Mit diesem Slogan wirbt Deutschlands führendes Technologieunternehmen. Den studierten Wirtschaftsingenieur Lukas Hahn treibt diese Idee schon seit Kindheitstagen um, denn er ist sozusagen mit der „rollenden Zweitwohnung“ und ihren diversen Assistenzsystemen, die seit den 90er Jahren den Komfort in allen PKWs verbessern, groß geworden.

„Mich haben schon als Kind immer Autos fasziniert“, sagt er, „aber nie deshalb, weil sie krass aussehen oder schnell und laut sind. Mich haben damals schon die aufkommenden Assistenzsysteme fasziniert. Also alle Autos mit Navigationssystemen, mit Bildschirmen im Inneren. Das fand ich immer faszinierend.“

Der gebürtige Wuppertaler stand nach seinem Abitur am St.-Anna-Gymnasium wie viele seiner Mitschülerinnen und Mitschüler ratlos vor der Frage, in welche Richtung sein beruflicher Werdegang gehen sollte, denn neben allen technischen Interessen, gehörten Musik und Photographie ebenso zu seinen favorisierten Berufswünschen. Hahn informierte sich über Studienmöglichkeiten der Elektrotechnik an der Bergischen Universität, wobei ihn von Anfang an der Masterstudiengang Automotive interessierte, denn, so sagt er: „Ich habe da meinen Weg gesehen.“

Dabei sei die klassische Elektrotechnik nicht sein Hauptantrieb gewesen, sondern das spätere Masterthema. Zudem sei der sechssemestrige Bachelorstudiengang Wirtschaftsingenieurwesen/Elektrotechnik passend, um all die Felder zu verbinden.

Bandbreite der Signalverarbeitung

Im Masterstudium beschäftigte sich Hahn dann mit dem Thema „Signalverarbeitung auf Automobilanwendungen“. „Signalverarbeitung an sich ist erst einmal ein Teilbereich der Elektrotechnik. Signalverarbeitung sowohl analog als auch digital hat meistens damit zu tun, dass man ein Signal von einem Sensor bekommt“, erklärt er. „Im Automotivefall sind es klassische Sensoren, zum Beispiel Radar, Kameras oder Ultraschallsensoren, die man von der Einparkhilfe kennt. Im Bereich Machine-Learning, wo ich nicht mehr mit klassischer Algorithmik Signale verarbeite, bringen lernende Verfahren einem Computer bei, relevante Merkmale aus Signalen zu extrahieren. Das geschieht zum Beispielbei der Bilderkennung“, erklärt der Fachmann.

„Ich war an Forschungsprojekten zum Autonomen Fahren schon als Doktorand hier bei Aptiv beteiligt“, erzählt Hahn. „Da gab es das große Forschungsprojekt des Bundes ,@City‘. Das ist ein gutes Beispiel, weil es zeigt, dass es da um das Autonome Fahren in der Stadt geht. Jetzt arbeite ich als Teilprojektleiter an einem Nachfolgeprojekt, was in diesem Jahr gestartet ist.“ Das Autonome Fahren ist zweifellos die mobile Zukunftsperspektive, bestätigt der Ingenieur, dessen Entwicklung aber auch noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird.

„Mittlerweile hat man in der breiten Öffentlichkeit als auch der Industrie verstanden, dass die ganze Entwicklung nicht so schnell geht, als es vor zehn Jahren einmal jemand prognostiziert hat“, erklärt Hahn die Sachlage. „Die Arbeit daran ist viel aufwändiger, als zunächst gedacht. Das hat vor allem damit zu tun, dass der technische Aufwand enorm ist und in der Automobilindustrie oder generell in der Mobilitätsindustrie zugleich ein sehr hoher Kostendruck herrscht, so dass Dinge nur über große Stückzahlen und zu günstigen Preisen funktionieren.“

In der Vorentwicklung entwickelte Prototypen, deren Sensoren zum Beispiel auf einem 50.000 Euro-System basierten, funktionierten zwar in der Theorie einwandfrei, seien jedoch preislich in einem Serienmodell nicht umsetzbar. Zudem müsse man diverse Grenzfälle, sogenannte Corner Cases, berücksichtigen, die schwierig zu modellieren seien. Im Nachfolgeprojekt von ,@City‘ bedeute dies, erklärt Hahn: „Das Fahren in gemischten Bereichen ist schon für menschliche Fahrer schwierig, also am Rande von Fußgängerzonen, wo es keine klare Straßenmarkierung gibt, wo es über Kopfsteinpflaster geht und wo Fahrradfahrer kreuzen. Das muss man alles beleuchten und die Anforderungen dazu auch verstehen. Erste Autopiloten für Autobahnstrecken, wo autonomes Fahren im Prinzip gut funktioniert, haben mit Einschränkungen ja bereits ihren Weg in den Markt gefunden, wo autonomes Fahren im Prinzip gut funktioniert. Aber die vollständige Abdeckung von Level eins, wo der Fahrer nur leicht unterstützt wird, bis zum Level fünf, also dem kompletten autonomen Fahren in allen Situationen und Bereichen, wird noch längere Zeit in Anspruch nehmen.“ Die technische Komplexität müsse mit der wirtschaftlichen Machbarkeit übereinstimmen und für den Nutzer erschwinglich sein, sagt Hahn.

Promotionsstudium bei Aptiv

Seit rund 20 Jahren hat Aptiv (vormals Delphi) bereits ein Promotionsstipendienmodell in Zusammenarbeit mit der Bergischen Universität. Einige der heutigen Führungskräfte haben über dieses Modell sogar promoviert. „Momentan haben wir alleine in unserer Abteilung 13 Doktoranden, die alle von verschiedenen Lehrstühlen der Uni Wuppertal betreut werden und bei uns in den Teams sitzen“, erzählt Hahn und fährt fort, „ich habe dreieinhalb Jahre während meines Promotionsstudiums bei Aptiv in Kooperation mit der Uni Wuppertal promoviert. Der Lehrstuhl ist der Lehrstuhl für allgemeine Elektrotechnik und Signalverarbeitung von Prof. Kummert. Ich habe auch damals meine Masterarbeit hier im Unternehmen bearbeitet, die auch von der Uni betreut wurde. Wir pflegen enge Verbindungen zu den Wissenschaftlern der Elektrotechnik und der Mathematik.“

Weltweit größter Automobilzulieferer mit Sitz in Wuppertal

Bereits sieben Jahre arbeitet Lukas Hahn schon bei Aptiv. „Wir sind einer der weltweit größten Automobilzulieferer, sogenannte Tier 1 (In einer modernen Lieferkette, wie sie vor allem in der Automotive Industrie verwendet wird, sind die Zulieferer in aufeinander aufbauenden Ebenen – englisch: tier – organisiert. Der Hersteller des Autos – OEM – ist auf die Modul- und System-Zulieferer angewiesen – Tier 1, Anm. d. Red.). Wir sind in der Lage, auf Kundenwunsch Gesamtsysteme zu liefern und haben dementsprechend weltweit Standorte. Das Kerngeschäft des Wuppertaler Standorts war ursprünglich die Kabelfertigung.“

Der Gebäudekomplex in Wuppertal gehörte vormals den Kabelwerken Reinshagen, die von General Motors gekauft und später als Zulieferer Delphi ausgegliedert wurden. Delphi habe dann auch andere Zuliefererbereiche als nur die reine Kabelfertigung übernommen. „Wir nennen das heute Connection-Systems“, sagt Hahn, „da geht es dann sowohl um die Kabelbäume im Fahrzeug, als auch die Ladeinfrastruktur der heutigen Elektrofahrzeuge. Hier am Standort in Wuppertal haben wir mittlerweile über 700 Mitarbeiter, die sich mit unterschiedlichen Feldern beschäftigen. Die AI-Abteilung (artificial intelligence, AI), in der ich arbeite, gab es damals, als ich anfing, so noch nicht. Das war früher ein Computer Vision Team, die sich mit Bildverarbeitung beschäftigt haben. Als ich als Werkstudent dazugekommen bin, waren wir so um die 20 Leute. Ich bin mit der Abteilung gewachsen.“

Heute sind in der Wuppertaler Dependenz alleine über 100 Beschäftigte in diesem Bereich tätig. „Dazu kommen Bereiche in Krakau oder auch in Indien, die direkt zu dieser Abteilung gehören.“ Hahn fing als Machine-Learning-Entwickler an, entwickelte sich weiter und übernahm irgendwann die Rolle des Product Owners.

Wieder im Inneren der rollenden Zweitwohnung

Als Product Owner kehrt Hahn heute sozusagen zu seiner Vorliebe für Assistenzsysteme im inneren der Fahrzeuge zurück. „Ich trage die technische Verantwortung für die Innovationsthemen im Machine-Learning im Rahmen eines unserer Teams, also auf Daten, die sich im Fahrzeuginnenraum abspielen.“

Dazu schauen die Mitarbeiter mit der Kamera in die Innenräume der Fahrzeuge, untersuchen die Sitze, den Anschnallzustand der Personen, die automatische Airbagfunktion sowie die sichere Befestigung von Kindersitzen und versuchen, den Komfort so angenehm wie möglich zu verbessern. „All das bearbeiten wir, incl. aller Signale, wie zum Beispiel die Telefonnutzung während der Fahrt.“ Zusätzlich ist Hahn in seinem Teilbereich auch für Forschungsprojekte von Bund und Land verantwortlich, betreut heute selber Studierende und Doktoranden und sorgt für einen reibungslosen Arbeitsablauf.

Kooperationen und Recruitings sind wichtig

Die Kooperation zwischen Aptiv und der Bergischen Universität sieht er aus unternehmerischer Sicht als absolut wichtig an und nennt dazu das Thema „Fachkräftemangel“, welches vor allem bei der Softwareentwickung und der Programmierung bundesweit herausfordernd bleibt. „Ich bin durch die Hochschule mit einem Lehrauftrag verbunden, den ich mir mit zwei Kollegen hier teile. Ich kann nun weitergeben, was ich als Student damals auch erfahren und gelernt habe“, sagt er und fährt fort: „Dieser Lehrauftrag ist für uns auch eine Chance des Recruitings, das frühzeitige Anlernen und Heranführen von guten Studierenden.“

Hahn hat auch schon am „JobTalk“ teilgenommen, einer Veranstaltung des Career Service der Bergischen Universität, in der Referenten in fachspezifischen Vorträgen über ihren beruflichen Werdegang sprechen. Studierende können dann im Nachgang auch Fragen etwa zum Berufseinstieg stellen.

Anfragen erhält er allerdings auch von Fachschaften der Fakultäten, die Aptiv gerne in ihre Erstsemesterexkursionen aufnehmen. „Wenn wir selber Stellen für Werkstudenten haben, dann sind die natürlich ausgeschrieben, man kann sie öffentlich einsehen, oder man informiert sich über die Plattform LinkedIn. In Kontakt mit den Unternehmen zu treten ist heute unproblematisch. Für uns als Vorentwickler hier bei Aptiv sind auch Abschlussarbeiten in der Industrie immer ein Weg in das Unternehmen.“

Neben guten Noten, die oft noch ein erstes Kriterium beim Aussortieren seien, lege sein Betrieb aber auch sehr viel Wert auf praktische Erfahrungen. „Wenn ich jemanden suche, der praktisch an der Softwareentwicklung mitarbeiten, der an Algorithmen oder Signalverarbeitung mitwirken soll, dann braucht die Person mehr als das theoretische Verständnis“, erklärt Hahn, denn die Grundlagen des Programmierens könne man schon rein zeitlich nicht vermitteln.

Seien diese jedoch vorhanden, stehe manchmal auch einer langjährigen Karriere im Unternehmen nichts im Wege. „Wenn gute Kandidaten über so einen Weg ins Unternehmen finden, kann ich für uns sagen, wir haben eine hohe Rate an Mitarbeitern, die dann auch hiergeblieben sind.“