Leserbrief „Es ist bezaubernd“

Betr.: Artenschutz im heimischen Garten

Futterhilfe für eine Blaumeise.

Foto: Achim Otto

Mir erzählte eines Tages mein Nachbar, dass sie ein totes Vogelbaby im Nistkasten hatten. Der Grund könnte sein, so sagte er, dass Leute in ihrem Garten Unkrautvernichter oder andere Chemikalien spritzen, die Vogeleltern mit der Nahrung wie Blattläuse und Raupen ihren Küken verabreichen und sie dadurch sterben. Dies brachte mich sehr zum Nachdenken.

Obwohl ich keine Unkrautvernichter benutzte, veränderte ich meinen Garten. Von nun an durften Blattläuse bleiben und ich beobachtete, wie bestimmte Vögel sie aus den Rosenbüschen mit ihrem Schnabel einsammelten. Wie schön das aussieht, wenn ein Vogel seinen Schnabel voller Blattläuse hat.

Mein Garten wurde von nun an natürlich, alles an Tieren durfte bleiben. Selbst Nacktschnecken und Weinbergschnecken ließ ich an Ort und Stelle. Und siehe da, es regelte sich von selbst.

Ich stellte ein Vogelhaus auf und machte im Lauf der Jahre meine Beobachtungen. Als in den ersten aufgehängten Nistkästen die Blaumeisen einzogen und ich das Zwitschern der Kleinen hörte, freute ich mich, als ob ich im Lotto gewonnen hätte. Ich informierte mich über die Vogelwelt und so kamen weitere Veränderungen.

Mein Vogelfutter beziehe ich nur noch aus einem Familienbetrieb. Es ist hochwertiger und billiger, denn ich verbrauche sehr viel Futter. Durch die Vielfalt des Futters bekam ich eine Vielfalt an Vögeln. Mittlerweile habe ich vier Nistkästen, zwei Vogelhäuschen in unterschiedlichen Größen, einige Knödelhalter und eine Schale für Bodenfütterung.

Die Diskussion, ob es gut ist, im Sommer Vögel zu füttern, spielt für mich keine Rolle. Ich bin mir der Veränderung der Natur und somit auch der Insektenwelt bewusst und beobachte es mit meinen eigenen Augen und Verstand. Ich unterstütze somit sehr gerne diese Geschöpfe und freue mich über ihren Gesang. Ein Vogel verlernt nicht seinen Instinkt, nur weil er zusätzlich Futter angeboten bekommt.

Im Frühling dachte ich, nun brauche ich sicher bis zum Winter weniger Futter, doch weit gefehlt. Ich wurde eines Besseren belehrt. Am Küchenfenster hängt ebenfalls, in einer geschützten Ecke, ein Nistkasten und somit war ich live bei der Entstehung neuen Lebens dabei. In allen Nistkästen zwitscherte es zart und die Vogeleltern waren ausgesprochen fleißig.

Auf unserer Terrasse beobachtete ich, wie die Eltern vom Meisenknödelhalter zum Nistkasten hin- und herflitzten. Hin und wieder saßen sie mit einer Raupe im Schnabel in der Nähe des Nistkastens und dann wieder wurde der Meisenknödel zur Fütterung benutzt. Eine Menge Arbeit, um ein paar Nestlinge zu ernähren, dies wurde mir hier deutlich gezeigt.

Als ob ich selbst die Vogelmutter wäre, wusste ich, dass nun der Tag des ersten Ausfluges nicht mehr lange auf sich warten lassen würde. Ich saß auf der Terrasse und hörte, wie ein Vogelelternteil einen besonderen Ruf absonderte. Die Kleinen waren nun flügge und wurden herausgelockt. Mein Mann und ich spielten „Rummikub“, als ein kleiner Ästling um die Ecke auf die Terrasse flog. Er war noch nicht kräftig genug, um weiterzufliegen. Ein Elternteil hockte in der Nähe und machte seinem Nachkommen Mut weiterzufliegen. Wir bewegten uns nicht, beobachteten dieses Schauspiel mit Respekt und Dankbarkeit. Ich war tief berührt von dieser Handlung und ich sah es zum ersten Mal.

Dieses unfassbar kleine Wesen hockte nun auf dem Gerüst eines Stuhles und sammelte sich. Der Ästling sah aus wie ein kleiner Zorro. Seine Füße viel zu groß im Verhältnis zu seinem Körper, sein Blick verbissen und trotzdem war es besonders niedlich und immer in Kommunikation mit seinem Elternteil. Irgendwann schaffte er es in ein Gebüsch, wo er weiterhin von seinen Eltern versorgt wurde.

Zu bestimmten Zeiten zwitscherten die Eltern etwa zwei weitere Wochen ihren Nachwuchs zusammen, sammelten sich bei den Meisenknödeln und fütterten sie. Mittlerweile höre ich die Vögel überall und weiß genau, hier findet gerade ein gemeinsames Fressen statt. In meinem Flieder sitzen nun viele junge Singvögel und fressen selbst von den Meisenknödeln. Es ist bezaubernd, diese kleinen Federknäuel bei ihren ersten Erfahrungen in ihrem Leben anzusehen und zu wissen, dass man einen guten Teil dazu beigetragen hat.

Ich habe auch zwei Spechte, die ebenfalls mit ihren drei Kindern kommen und sie fütterten, inzwischen fressen auch sie täglich mehrere Male von den Knödeln. Da ich mehrere Knödelhalter und Büsche habe, können sich die unterschiedlichen Vogelarten organisieren und stören sich nicht.

Mit dieser Geschichte möchte ich Menschen inspirieren, etwas für unseren Artenschutz beizutragen. Selbst auf einem Balkon kann man die Vögel unterstützen. Es gibt viel Infomaterial im Internet, wie man gute Tipps umsetzen kann.

Ein paar Regeln sollte man schon beachten, um nicht das Falsche zu tun. Wir tragen alle Verantwortung – und Wort und Tat ist besser als nur Worte.

Susanne Schüßler

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